Thema des Tages

04-12-2018 09:20

Als London im Nebel erstickte...

Wir schreiben den 05. Dezember 1952. An diesem Freitag gehen die
Leute der Englischen Hauptstadt (damals wie heute rund 8 Mio.
Einwohner) wie gewohnt ihren Tätigkeiten nach. Sie gehen in die
Schule, fahren zur Arbeit oder verbinden den morgendlichen Einkauf
mit einem Spaziergang. Es ist ein frischer klarer Morgen. Am
Flughafen Heathrow zeigt das Thermometer plus 2 Grad an. In einigen
Randbezirken herrscht leichter Frost. Hin und wieder ziehen flache
Nebelschwaden durch. "Kein Problem", denken sich die Allermeisten
noch, schließlich sind sie derartige Wetterbedingungen auf der Insel
ja gewohnt. Doch am Nachmittag wird der Nebel plötzlich so dicht,
dass die Londoner ihre Autos auf den Straßen stehen lassen müssen, um
sich an Hauswänden und Gegenständen den Weg nach Hause zu ertasten.
Die Sichtweite geht bis auf wenige Meter zurück, tags darauf beträgt
sie sogar weniger als einen Meter. Hatte man mit Müh und Not endlich
die eigenen vier Wände erreicht, stellte man beim Gang unter die
Dusche Erschreckendes fest. Nein, gemeint ist nicht der Blick in den
Spiegel oder körperabwärts. Vielmehr sind sämtliche Kleidungsstücke
mit einem schwarzen Rußfilm überzogen, selbst in der Unterwäsche
finden sich Rückstände. Das öffentliche Leben kommt fast vollständig
zum Erliegen. Immer mehr Menschen haben mit Atembeschwerden zu
kämpfen, in den schnell überlasteten Krankenhäusern werden mehr als
150 000 Menschen behandelt, von denen 4000 unmittelbar und weitere
8000 an Spätfolgen versterben (Ersticken, Herzstillstand). Die
Katastrophe historischen Ausmaßes zieht sich ganze fünf Tage bis sich
am 09. Dezember die Luftqualität endlich bessert und die Menschen
wieder durchatmen können.

Randbedingungen

Smogereignisse waren in London keine Seltenheit. In den Wintermonaten
kamen schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts in unregelmäßigen
Abständen Einschränkungen der Sichtweite und Luftqualität vor. Die
Londoner Smogkatastrophe 1952 erreichte allerdings eine nie
dagewesene Dimension. In der Nachkriegszeit hatte der Verkehr in der
Metropole stark zugenommen, zugleich konnten sich die Menschen wieder
Kohle für ihre Kamine und Öfen leisten. Verfeuert wurde aber - wie
übrigens auch in den Fabriken und Kraftwerken - billige Braunkohle,
wodurch besonders viel Schwefeldioxid (SO2) freigesetzt wurde. Die
qualitativ bessere Kohle wurde dagegen gewinnbringend ins Ausland
verkauft. Mit dem gleichfalls freigesetzten Stickstoffdioxid kam es
in Verbindung mit den kalten Nebeltröpfchen (H2O) zu einer chemischen
Reaktion, bei der die besonders gefährliche Schwefelsäure (H2SO4)
entstand - ein tödliches Gemisch!

Meteorologische Einordnung

Wie bei austauscharmen Wetterlagen üblich, handelte es sich im
betroffenen Zeitraum um eine ausgeprägte Inversionslage (siehe
DWD-Lexikon). Dabei nimmt die Temperatur in den unteren Luftschichten
mit der Höhe zu, man spricht von einer stabilen Schichtung. Selbst
wenn sich eine Luftblase (durch Stadteffekte beispielsweise) bodennah
erwärmen kann, ist sie kurz nach dem Abheben rasch wieder kälter und
damit schwere als ihre Umgebungsluft und sinkt somit umgehend zurück
zu Boden. Die Luft ist gewissermaßen unterhalb einer Sperrschicht
gefangen - und die Menschen zugleich in ihr. Das wetterbestimmende
Hoch mit Zentrum über Mitteleuropa verlagerte sich zum 09. Dezember
langsam weiter ostwärts. Mit Annäherung eines Tiefs über Schottland
brachte der auffrischende Südwind die lang ersehnte Durchmischung.

Seitdem halfen zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung der
Luftverschmutzung mit, dass Smogkatastrophen dieser Größenordnung nie
wieder vorkamen.

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.12.2018

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