Thema des Tages

19-06-2016 14:40

Nass im Überfluss

Der Regen, sei es als Schauer, als Starkregen oder Dauerregen,
dominiert an dieser Stelle die Themen des Tages des Deutschen
Wetterdienstes schon seit geraumer Zeit. Fehlender Einfallsreichtum
der Autoren kann natürlich nicht als Ursache geltend gemacht werden,
vielmehr wird das tatsächliche Wettergeschehen in Deutschland dadurch
eindrücklich abgebildet. Denn landesweite, längere niederschlagsfreie
Phasen waren zuletzt rar gesät, so viel steht fest. Langwierige
wechselhafte Wetterphasen gerade während der Sommermonate, aber auch
die allumfassende, in Quasi-Echtzeit ablaufende "Berichterstattung"
in sozialen Netzwerken und im Internet über extreme Niederschläge
führt mitunter zu dem Eindruck, es gäbe in diesem Jahr überall Nass
im Überfluss. Doch stimmt das wirklich?

Wir blicken in unsere Datenbank, picken uns ein paar mehr oder
weniger repräsentative Stationen heraus. Der meiste Niederschlag fiel
- wenig überraschend - im Schwarzwald. Durchaus bemerkenswert sind
aber die Niederschlagsmengen. Die Station auf dem Feldberg
registrierte seit 1. Januar bis einschließlich gestern (18.06.)
1374,1 l/qm. Auf Grundlage des vieljährigen Mittels wären "nur" 934,7
l/qm zu erwarten gewesen. Den Stempel "deutlich zu nass" kann man im
Wesentlichen dem gesamten Süden Deutschlands aufdrücken, also Bayern
und Baden-Württemberg. Ebenfalls zu viel Nass von Oben gab es in
Teilen Südwest- und Westdeutschlands, Rheinland-Pfalz und Saarland im
Speziellen. Im eigentlich recht niederschlagsarmen Montabaur im
Westerwald kamen bis gestern 529,6 l/qm zusammen. Das entspricht sage
und schreibe 187% der im Mittel zu erwartenden Menge von 283,5 l/qm.
In Montabaur, aber auch an einigen anderen Stationen in der Südhälfte
Deutschlands ist kurz vor Jahreshalbzeit schon fast eine ganze
Jahressumme an Niederschlag gefallen. In der Wetterdiensthauptstadt
Offenbach wurde die Jahressumme von 2015 (443,7 l/qm) mit 508,7 l/qm
schon überschritten. Das Vorjahr war dort zugegebenermaßen aber auch
überaus trocken.

In den anderen Regionen Deutschlands gibt es zum Teil gewaltige
Unterschiede in den Niederschlagsmengen. Zu feuchte und zu trockene
Gebiete liegen in unmittelbarer Nachbarschaft. Allerdings zeigt sich
tendenziell ein Südwest-Nordost-Gefälle. Betrachtet man die
Flächenmittel des Niederschlags, treten besonders der Nordosten
(Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt) als Regionen
hervor, die, gemessen am langjährigen Mittel, zu wenig Niederschlag
erlebt haben. Das ohnehin trockene Kap Arkona auf Rügen kommt bisher
lediglich auf 126,3 l/qm, was nur etwas mehr als der Hälfte des
Mittelwertes entspricht. Selbst im mittleren Deutschland gibt es
Orte, die bis dato alles andere als ein nasses Wetterjahr erleben
(Fritzlar/Hessen: 238,6 l/qm (80%)). Das sehr heterogene Bild, das
die Niederschlagsverteilung abgibt, ist u. a. ein Resultat des
zuletzt meist konvektiven Naturell der Niederschläge. Schauer und
Gewitter luden nur punktuell große Niederschlagsmengen ab, wobei die
Häufigkeit vor allem nach Nordosten zu eher dürftig ausfiel (siehe
auch Grafik der Niederschlagssumme der letzten vier Wochen auf
http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/6/19.html)

Die Vermutung "das Jahr ist bisher viel zu nass" entspringt also
nicht nur einem subjektiven Eindruck, sondern lässt sich zumindest in
der Südhälfte in vielen Fällen auch mit Messwerten bestätigen. Der
Nordosten aber mag sich angesichts der ganzen Niederschlagsexzesse
wie im falschen Film fühlen. Das Gute beim Wetter ist aber, dass sich
die Verhältnisse ganz schnell drehen können - und keiner weiß wohin.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.06.2016