Thema des Tages

28-12-2018 13:50

Feuerwerksnebel - Der Feind der bunten Himmelskunstwerke

Köln/Leverkusen, 1. Januar 2015, 2 Uhr morgens: In finsterer Nacht
umhüllt dichtester Nebel die Städte. Die Sicht sinkt teils auf unter
5 Meter! Autos stoßen selbst im Schritttempo aufeinander, ein
weiteres Auto fährt ins Gleisbett einer Straßenbahn. Autobahnen
werden gesperrt, Straßenbahnen und Busse stellen ihren Betrieb ein
und es liegt nicht (nur) am Alkoholpegel, dass selbst Fußgänger
orientierungslos auf Straßen und Plätzen umherirren. Nein! Es handelt
sich nicht um apokalyptische Szenen aus einem schlechten Horrorfilm,
der "Nebel des Grauens" hat sich tatsächlich so zugetragen.


Nebel in den ersten Stunden des neuen Jahres ist keine Seltenheit. Er
muss nicht unbedingt so gefährlich dicht sein wie vor knapp 4 Jahren
im Rheinland. Dennoch scheint es in der Silvesternacht allzu oft wie
verhext zu sein. Kaum wurden die ersten Raketen gezündet, schon
entsteht ein gruseliges Nebelmeer. Die Fotografen können ihre Kameras
und Stative wieder einpacken und Liebhaber der bunten
Himmelskunstwerke sehen enttäuscht zu, wie die Feuerwerke im Nebel
verschwinden. Doch dieses Phänomen ist kein Hexenwerk, vielmehr liegt
die Ursache im Abfeuern der Silvesterraketen selbst - Meteorologen
nennen diesen Nebel daher auch "Feuerwerksnebel" oder etwas salopp
"Böllernebel".


Um dieses ärgerliche und für den Straßenverkehr sehr gefährliche
Phänomen zu erklären, schauen wir uns zunächst an, wie Nebel im
Allgemeinen entsteht. Nebel ist im Grunde genommen nichts anderes als
eine Wolke, die am Boden aufliegt (siehe Thema des Tages vom 27.12.).
Besonders in klaren Nächten kühlt sich durch (thermische)
Ausstrahlung die Luft vom Boden ausgehend immer weiter ab. Da kalte
Luft weniger Feuchtigkeit in Form von (unsichtbarem) Wasserdampf
speichern kann, ist die Luft je nach Feuchtigkeitsgehalt ab einer
bestimmten Temperatur gesättigt, d.h. die Luft besitzt eine relative
Feuchtigkeit von 100%. Bei weiterer Abkühlung kondensiert das
überschüssige Wasser zu kleinen Wassertröpfchen. In der Folge bildet
sich Dunst (Sichtweite unter 8 km) oder Nebel (Sichtweite unter 1
km). Nun kommt der springende Punkt: Damit Wasserdampf leichter zu
flüssigem Wasser kondensieren kann, braucht er sogenannte
Kondensationskeime. Das sind kleinste Staub-, Salz- oder Rußpartikel,
die sich ganz natürlich oder vom Menschen verursacht in der Luft
befinden. Sie dienen praktisch als "Andockstation" für Wasserdampf
und schließlich zur Bildung von Wassertröpfchen.


Vielleicht ahnen Sie jetzt schon, womit der dichte Böllernebel nun zu
erklären ist. Richtig! Die Unmengen an Rußpartikeln, die durch das
Verbrennen der Feuerwerkskörper in die Luft gelangen, sind ein wahres
Paradies für den kondensierenden Wasserdampf in der Luft. Anstelle
von vergleichsweise "wenigen" größeren Nebeltropfen bei einer
gewöhnlichen Anzahl von Kondensationskeimen können sich mit den
zusätzlichen Partikeln durch die Feuerwerksverbrennung unzählbar
viele kleinste Nebeltröpfchen bilden, die für einen deutlich
dichteren Nebel als unter "Normalbedingungen" sorgen. Damit der Nebel
aber extreme Ausmaße annehmen kann, wird ein Zusammenspiel mehrerer
Wetterfaktoren benötigt. Die Luft sollte ausreichend Feuchtigkeit
enthalten und sich im Optimalfall unter sternenklarem Himmel so stark
auskühlen, dass sich kurz vor Mitternacht entweder bereits Nebel
gebildet hat oder die Luft zumindest fast gesättigt ist. Zudem sollte
nahezu Windstille herrschen, damit die Rußpartikel nicht weggeweht
werden können. Eine weitere Voraussetzung ist eine sehr tief liegende
Inversion (siehe auch Thema des Tages vom 26.12.), die wie ein Deckel
wirkt, sodass sich die Ruß- und Staubpartikel nicht in höhere
Atmosphärenschichten ausbreiten können. Somit reichert sich der
gesamte "Feuerwerksdreck" in den untersten wenigen Hundert Metern
über dem Boden an. Auch Feinstaubmessungen zeigen dann für wenige
Stunden extreme Konzentrationen.


Durch Feuerwerksnebel kann die Sicht sehr stark herabgesetzt sein.
Sichtweiten unter 50 Meter sind keine Seltenheit, in Ausnahmefällen
sinkt die Sicht auf unter 10 Meter, wie 2015 im Rheinland. Dann kann
man nicht einmal mehr von einer zur anderen Straßenlaterne sehen, die
Häuserzeile auf der gegenüberliegenden Straßenseite verschwindet auf
geheimnisvolle Weise und Autofahren wird fast unmöglich.


Ähnlich dichten Nebel gab es auch zum Jahreswechsel 2007/08 in Teilen
Niedersachsens, dem Ruhrgebiet und in Bonn. Auch an Neujahr 2016
bildete sich beispielsweise in Hamburg und 2017 in München teils
dichter Böllernebel.


Zum Start ins neue Jahr kann es wieder stellenweise Böllernebel
geben, insbesondere im Südwesten, wo es zuvor noch örtlich aufklaren
und dadurch stärker auskühlen kann. Aber auch generell kann sich in
der Südhälfte bei hoher Luftfeuchtigkeit und wenig Wind mancherorts
nach Mitternacht dichter Nebel bilden. In der Nordhälfte hat man
wahrscheinlich mehr Glück. Zwar ist es dort meist bedeckt und
gebietsweise fällt auch etwas Nieselregen, der die Sicht einschränken
kann, der Wind sollte dort aber stark genug sein, um Feuerwerksnebel
zu verhindern.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.12.2018

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst