Thema des Tages

21-01-2019 08:50

Die Schwächen der Nordatlantischen Oszillation

An dieser Stelle wurden Ihnen schon des Öfteren Zirkulationsmuster in
der Atmosphäre und deren Auswirkungen auf das Wettergeschehen in
Deutschland nähergebracht. Ein "Klassiker", auf den man dabei immer
wieder stößt, ist die sogenannte "Nordatlantische Oszillation", kurz
NAO. Letztmalig erfuhr sie die volle Aufmerksamkeit im Thema des
Tages vom 13.11.2016.

Die Nordatlantische Oszillation beschreibt mit Hilfe des NAO-Index
die Lage und Intensität der atlantischen Westwindzone. Die Grundlage
dafür bilden die Luftdruckunterschiede der im klimatologischen Mittel
anzutreffenden Druckgebilde mit dem Islandtief auf der einen und dem
Azorenhoch auf der anderen Seite. Dabei entsteht eine
Ausgleichsströmung, die bestrebt ist, diese Differenzen wieder
auszugleichen. Diese Ausgleichsströmung, die wir als Wind wahrnehmen,
findet ausgangsweise vom hohen zum tiefen Druck statt (von den Azoren
nordwärts nach Island = Südwind). Sie wird aber infolge der
Erdrotation (Corioliskraft) auf der Nordhalbkugel nach rechts
abgelenkt. So ergibt sich effektiv ein Westwind. Positive NAO-Indizes
sind dabei häufig mit mildem Wetter zur Winterzeit in Mitteleuropa
verbunden, da mit einer strammen westlichen Strömung milde Luftmassen
vom Atlantik weit landeinwärts (teilweise bis nach Osteuropa)
transportiert werden. Sind die Druckgebilde hingegen schwächer als im
Mittel ausgeprägt oder kehren sich gar um (Hoch bei Island, Tief bei
den Azoren), so stellen sich gerne sogenannte blockierende
Wetterlagen ein. Dann können sich kalte Luftmassen leichter über
Mitteleuropa ausbreiten (selbst bilden oder aus Norden/Osten zu uns
gelangen).
Der klassische NAO-Index basierte noch auf den stationsgebundenen
Luftdruckgegensätzen zwischen Ponta Delgada (Azoren) und Reykjavik
(Island). Moderne Verfahren berücksichtigen mehr die Gesamtsituation.
So schaut man sich basierend auf der numerischen Wettervorhersage
Druckabweichungen in höheren Luftschichten (ca. 5,5 km) an und zwar
auf größeren räumlichen (zwischen 20 Grad nördlicher Breite und dem
Nordpol) und zeitlichen Skalen (Referenzzeitraum 1950-2000).

Doch genug zur Theorie. In der Praxis stellt sich die Großwetterlage
aktuell wie folgt dar: Südlich des umfangreichen Tiefs JANNO mit Kern
von rund 975 hPa bei Island erstreckt sich ein Bereich hohen
Luftdrucks vom Seegebiet westlich der Azoren bis knapp westlich von
Portugal, der lediglich durch ein kleinräumiges, schwaches Tief
unterbrochen ist. Folglich ist der NAO-Index positiv, was auch den
Berechnungen des amerikanischen Klimavorhersagezentrums zu entnehmen
ist. Demnach liegt der Wert nahe +1 (siehe angehängte Grafik). Und
dennoch ist das Wetter bei uns winterlich! Wie passt das zusammen?
Zum einen gibt es trotz statistischer Häufung natürlich immer
Ausnahmen. Im aktuellen Fall verdanken "Kälteliebhaber" diese
Ausnahme dem Hoch BRIGIDA über Südostpolen, dessen Einflüsse noch bis
zu uns reichen. Sobald also in irgendeiner Form ein "schützendes"
Hoch über Nord- oder Mitteleuropa liegt, tun sich die Protagonisten
über dem Atlantik mitunter schwer. Zum anderen verweisen Studien
darauf, dass Zusammenhänge zwischen positivem NAO-Index eine
statistisch erhöhte Häufigkeit mit milden Temperaturen und viel Regen
vor allem für Norddeutschland zutreffen, für Süddeutschland hingegen
weniger. Das hängt vorrangig mit der Orographie zusammen. Gerade in
den Tälern und Senken hält sich vorhandene Kaltluft (Kaltluftseen)
bei nur geringen Windgeschwindigkeiten häufig sehr zäh. Ein
entscheidender Faktor ist zudem die Position des Islandtiefs. Je
weiter östlich, desto größer die unmittelbare Schubkraft der milden
Atlantikluft. Bei einem Tiefkern westlich von Island stiegen
beispielsweise die Chancen, dass eine bereits bestehende Blockade
über Mitteleuropa hält.

Fazit:
Allein den NAO-Index zu Rate zu ziehen um abzuschätzen, ob eine
winterlich geprägte Witterungsphase in Deutschland ansteht, geht
häufig schief. Berücksichtigt man dagegen den zeitlichen Verlauf und
aktuelle Prognosen der NAO, die Position des Islandtiefs sowie
eventuell vorhandene blockierende Hochdruckgebiete über dem
Kontinent, führt das in der Regel zu brauchbaren Ergebnissen.
Probieren Sie es doch einmal aus!

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.01.2019

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