Thema des Tages

11-02-2019 08:50

Auf den Spuren des Schneetiefs

Die Vorhersage von winterlichen Niederschlagsereignissen ist auch in
der heutigen Zeit mit all der Technologie wie Satelliten, numerischen
Wettermodellen und Radargeräten nicht selten noch ein unsicheres
Unterfangen. Das ist vor allem der Fall, wenn es um regionale
Feinheiten geht, ob der Niederschlag in flüssiger oder fester Phase
fällt (die gefrierende Phase wird hier ausgeklammert). Der Grund für
diese Unsicherheiten ist das Zusammenspiel zahlreicher
meteorologischer Parameter, die letztendlich über die
Niederschlagsart entscheiden.

Zu nennen wäre da u.a. der Wind, der je nach Intensität die bodennah
lagernde kalte Luftmasse mit der darüber liegenden milderen Luft
durchmischen kann, sodass die Temperatur allein durch diesen Prozess
beginnt, anzusteigen. Ein weiteres Beispiel ist die vertikale
Verteilung der Luftfeuchtigkeit. Fällt der Niederschlag aus hohen
Luftschichten in eine trockene bodennahe Schicht, beginnt der
Niederschlag zu verdunsten. Durch die Verdunstung wiederum kühlt sich
die Luftmasse ab (siehe Link zum DWD Wetterlexikon). Dieser Effekt
fällt z.B. in Tälern ausgeprägter aus, da nur ein geringes
Luftvolumen heruntergekühlt werden muss, sodass dort die
Schneefallgrenze regional in kurzer Zeit bis in Tallagen absinken
kann. In welcher Phase der Niederschlag den Boden erreicht, hängt
auch sensibel von der vertikalen Temperaturverteilung ab. Wenn
bodennah kalte Luft vorhanden ist und sich darüber wärmere Luft
schiebt, kann der Niederschlag in dieser abgehobenen warmen Schicht
in Regen übergehen. Fällt dieser dann in die darunterliegende kalte
Luft, kann sich je nach Mächtigkeit der kalten Luftmasse darunter die
Niederschlagsphase erneut ändern und aus Regen wieder Schnee werden.
Diese sicherlich noch unvollständige Aufzählung zeigt aber bereits,
dass die Vorhersage winterlichen Niederschlags einer Menge an
Messdaten bedarf, wobei kleinste Änderungen große Auswirkungen auf
den Niederschlag haben können.

Doch nicht nur die physikalischen Parameter haben einen Einfluss auf
die (Un-)Sicherheit einer Schneefallvorhersage. Auch die Frage, wohin
sich ein Tiefdruckgebiet verlagern und seine Niederschlagslast
verteilen wird, ist von Bedeutung. Dies ist sehr gut in der
beigefügten Grafik zu erkennen.

Im Abstand von rund einer Woche entwickelten sich in den USA zum
vergangenen Jahreswechsel zwei Schnee bringende Tiefdruckgebiete,
eines östlich der Rocky Mountains und ein weiteres in der Nähe des
Golfs von Mexiko (siehe A]). Das erste zog Ende des vergangenen
Jahres von Nordtexas über Oklahoma, Kansas und Nebraska weiter zu den
Großen Seen. Dies ist eine recht klassische und wiederholt zu
beobachtende Tiefdruckzugbahn. Das zweite Tiefdruckgebiet entwickelte
sich im Osten von Texas und zog nordostwärts, später ostwärts nach
North Carolina und dann die Ostküste der USA entlang über den
Nordwestatlantik in Richtung Neufundland. Diese Zugbahn ist wiederum
nicht so häufig zu beobachten und resultierte aus einer komplexen
synoptischen Ausgangslage, welcher hier keine weitere Beachtung
geschenkt werden soll.

Betrachtet man nun das Satellitenbild der NASA in B), fällt vor allem
auf, wie regional begrenzt die jeweiligen Schneeereignisse ausfielen
und wie unterschiedlich die Spuren der Schneetiefs aussehen. Die Spur
des ersten Tiefdruckgebietes (hellblau umrandet) ist dabei eine recht
klassische Erscheinung bei einer kräftigen Tiefdruckentwicklung. In
diesem Fall wird die warme und feuchte Luft vorderseitig des
Tiefdruckgebietes nach Norden geführt wird, umrundet das Tief und
gleitet nordwestlich des Tiefkerns auf die kalte Luft auf. Diese
Erklärung ist der Übersicht halber sehr rudimentär gehalten und fällt
real deutlich komplexer aus. Kurz und knapp kann gesagt werden, dass
es östlich und südlich des Schneestreifens zu warm war und Regen
fiel, westlich davon war es hingegen zwar kalt, aber zu trocken für
Niederschlag in Form von Schnee.
Beim zweiten Ereignis ist zu erkennen, dass nur in einem kleinen
Bereich die Bedingungen für Schneefall gegeben waren. Die Kaltluft
erfasste die östlichen Bereiche von Oklahoma nicht, sodass dort, wie
auch in Texas, zumeist nur Regen fiel. Es verwundert nicht, dass bei
diesem Ereignis bis kurz vor Einsetzen des Niederschlags Unklarheit
herrschte, wie groß der Bereich mit Schneefall letztendlich ausfallen
würde.

Wie bereits angesprochen, zeigen die den Meteorologen vorliegenden
Wettermodelle im Vorfeld eines solchen Niederschlagereignisses nicht
selten bis kurz vor Niederschlagsbeginn inhomogene Lösungen bezüglich
der Zugbahn und der Intensität des jeweiligen Tiefdruckgebietes. Dies
hat auch Folgen u.a. für die Temperaturverteilung. Da jedes Grad über
Regen oder Schnee entscheiden kann, sind die Unsicherheiten auf
regionaler Ebene nicht selten sehr groß und können sich beträchtlich
auf die Ausdehnung und Lage eines Schneefallgebietes auswirken.

In Deutschland kommt neben den bereits genannten Unsicherheiten auch
die komplexe Orografie hinzu, wo Stauniederschläge oder
Abtrocknungseffekte im Lee eines Gebirges regionale Auswirkungen auf
die Schneemengenverteilung haben. Dies alles zeigt, wie anspruchsvoll
eine Schneefallvorhersage sein kann und wie hin und wieder Mutter
Natur auch in der heutigen, technologisch fortgeschrittenen Zeit für
die eine oder andere Überraschung sorgt, sodass eine erwartete
Schneelage zum Leidwesen eines Schneefans regional doch noch ins
Wasser fallen kann.

Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.02.2019

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