Thema des Tages

13-02-2019 09:50

Baroklines Blatt

Der Atlantik wird gerne als unsere Wetterküche bezeichnet. Dies
deswegen, weil der Nordatlantik wie auch Mitteleuropa in der
planetaren Westwinddrift der Nordhalbkugel liegen und somit
Druckgebilde vom Atlantik meist auch in irgendeiner Form nach Europa
gesteuert werden. Würde der Atlantik die Druckgebilde aber nur
"liefern" oder "transportieren", so wäre der Begriff des
"Wettercaterers" sicherlich passender.

Tatsächlich ist der Nordatlantik aber durchaus auch Wetterküche, und
dies vornehmlich, weil dort kalte polare Luftmassen auf warme
subtropische Luftmassen treffen. In der Folge zeigen sich über dem
Nordatlantik oftmals auf engem Raum große Temperaturgegensätze
zwischen der nördlich liegenden kalten Polarluft und der südlich
lagernden warmen Subtropiktuft. Wenn die Atmosphäre solch hohe
Temperaturgegensätze aufweist, so bezeichnet man sie als "baroklin".
Das ist zumindest eine recht einfach zu merkende Näherung. Genau
genommen ist die "Baroklinität" der Atmosphäre so definiert, dass die
Flächen gleicher Temperatur und die Flächen gleichen Drucks sich
schneiden, also nicht parallel zueinander liegen (vgl. Link zum
DWD-Lexikon). Dies ist aber bei starken horizontalen
Temperaturgegensätzen meist (mehr oder weniger deutlich ausgeprägt)
der Fall - und führt, ohne hier ins Detail gehen zu wollen, zu
instabilen atmosphärischen Verhältnissen.

Sehr deutlich ausgeprägt zeigt sich das Phänomen der Baroklinität
oftmals über dem Nordatlantik, wo der Bereich der stärksten
Temperaturgegensätze als Polarfront bezeichnet wird. Dabei handelt es
sich aber mitnichten um eine starre Luftmassengrenze. Im Gegenteil.
Die Polarfront mäandriert und schlängelt sich um die Erdkugel, sie
bildet Beulen und Wellen, und gerade an solchen Wellen bzw. Beulen,
die nach Süden weisen, entwickeln sich mit Vorliebe neue
Tiefdruckgebiete.

Dabei gilt allgemein, dass Tiefdruckgebiete mit Hebung und in den
meisten Fällen auch mit Wolkenbildung verbunden sind. Und bei "neuen"
Tiefdruckgebieten? Da starten die Hebung und die Wolkenbildung
sozusagen "im wolkenfreien Raum". Und im "Kinderstadium" zeigen diese
Wolken oftmals ein recht typisches Muster, das dem eines Blattes
ähnelt. Aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte, die ja an eine
barokline Zone gekoppelt ist, wird dieses Wolkenmuster als Baroklines
Blatt bezeichnet.

Damit ist die Theorie geschafft. Und wir blicken zurück auf Sturmtief
STEFAN, das in der zweiten Hälfte der vergangenen Woche über dem
Atlantik entstanden und nach Irland gezogen ist. Sturmtief STEFAN
zeigte die typischen Wolkenformen eines Baroklinen Blattes, wie in
der beigefügten Grafik zu erkennen ist. Die Kaltfront bildet übrigens
den nach Südwesten gerichteten Stängel des Blatts, die Warmfront
befindet sich unter dem breiten "Kopf" des Blattes, und zwar recht
nahe an dessen südlicher Kante.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.02.2019

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