Thema des Tages

08-03-2019 10:20

Aktive und teils stürmische Westwetterlage mit großen Unsicherheiten


Derzeit geben sich die vom Atlantik nach Europa und Deutschland
ziehenden Tiefdruckgebiete quasi die Klinke in die Hand. Eine solch
aktive und andauernde Westwetterlage hat es schon längere Zeit nicht
mehr gegeben.

Genau diese Wetterlagen bieten viel Spannung, stellen aber auch den
Vorhersage- und Warnbetrieb vor große Herausforderungen. Anders als
bei ruhigen Hochdruckwetterlagen lässt die rasche Abfolge von
Tiefdruckgebieten eine genaue Prognose manchmal schon für den
Folgetag nicht zu. Der Grund für die großen Unsicherheiten sind viele
kleinräumige Störungen, die je nach Ausprägung unterschiedliche
Folgen haben können.

Was genau sind diese kleinräumigen Störungen? Dabei handelt es sich
meist um kleine Tiefdruckgebiete sowohl am Boden, als auch in höheren
Luftschichten. Man kann sich die aktuelle Großwetterlage wie einen
schnell fließenden Fluss vorstellen, der sich vom Atlantik kommend
von West nach Ost über Europa und Deutschland hinwegbewegt. Solch ein
Fluss ist, wie in der Natur üblich, nicht glatt, sondern er
mäandriert. Das heißt, er weicht mal mehr und mal weniger stark nach
Norden und nach Süden aus. Genau diese Abweichungen von der glatten
Strömung sind die angesprochenen Störungen. Die Abfolge von kleineren
Tiefs ist derart rasch, dass manchmal nicht einmal 24 Stunden
zwischen zwei Ereignissen liegen.

Nun hat der atmosphärische Fluss keine festen Uferlinien. Mit
Wettermodellen lässt sich sein Verlauf dennoch prognostizieren.
Allerdings gibt es dabei mehrere Probleme. Zunächst muss das
Vorhersagemodell wissen, wie der Verlauf des Flusses aktuell ist. Um
dies in aller Genauigkeit feststellen zu können, bräuchte es aber
eine Vielzahl von Beobachtungen, die dann auch noch fehlerfrei sein
müssen. Darauf aufbauend wird von den aktuellen Messungen in die
Zukunft gerechnet. Nun kann man aber nicht einfach hier und da etwas
addieren, subtrahieren oder multiplizieren und bekommt das Ergebnis.
Dafür ist Atmosphäre viel zu komplex. Stattdessen muss man im Vorfeld
Annahmen machen, um die Rechnungen zu vereinfachen. Des Weiteren gibt
es Prozesse (z.B. die Niederschlagsbildung), die gar nicht explizit
mit einer Gleichung berechnet werden können. Stattdessen werden sie
mit Formeln angenähert (sogenannte Parametrisierungen).

Jedes Wettermodell nutzt nun unterschiedliche Methoden, um die
Beobachtungen zu sammeln und zu verarbeiten, aber auch für die
Berechnung in die Zukunft. Für die verschiedenen Atmosphärenprozesse
gibt es unterschiedliche Annäherungen (Parametrisierungen) und je
nach Modell werden zum Teil andere verwendet. Vielleicht wird nun
klar, dass es zwischen den Modellen größere Unterschiede geben kann,
obwohl die gleichen Beobachtungsdaten zur Verfügung stehen und die
Prognosen zur gleichen Zeit starten.

Für das kommende Wochenende gibt es sowohl für den Samstag, als auch
für den Sonntag zwischen den verschiedenen Modellen, die als
Vorhersagebasis den Mitternachtstermin (01 Uhr) haben, zum Teil
erhebliche Unterschiede. Abgesehen von der allgemein windigen Lage,
gibt es an beiden Tagen Vorhersagemodelle, die über Teilen des Landes
zeitweise Sturmböen und schwere Sturmböen und auch einzelne
orkanartige Böen prognostizieren. Gleichzeitig zeigen andere Modelle
eine vergleichsweise mäßige Windlage.

Nun lässt sich leicht ausmalen wie schwierig es für den
Vorhersagemeteorologen ist, den passenden Mittelweg aus allen
Modelllösungen zu finden und gleichzeitig die möglichen
Extremlösungen im Hinterkopf zu behalten und mit Unsicherheiten zu
formulieren. Unser Credo ist: Sage die wahrscheinlichste Wetter- und
Windentwicklung vorher, aber sei vorbereitet wenn die
Außenseiterlösung eintritt. Ihr Credo sollte sein: Behalte immer die
aktuellen Warnungen des Deutschen Wetterdienstes über die
Warnwetter-App oder die DWD-Homepage im Auge. In diesem Sinne ein
lebhaftes Wochenende.


Dipl.-Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.03.2019

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