Thema des Tages

28-06-2016 14:40

Heuer kaum Heuwetter

Getrocknete, oberirdische Biomasse von Grünpflanzen, auch gemeinhin
bekannt als "Heu", ist ein wichtiges landwirtschaftliches Produkt,
das vor allem als Futter für Nutztiere dient. Durch gezielten
Wasserentzug nach der Pflanzenernte wird eine deutliche Verlängerung
der Haltbarkeit, also eine Konservierung des zukünftigen
Futtermittels erzielt. Wichtig dabei ist eine schonende, aber
gleichzeitig zügige Trocknung. Nachdem die Grünpflanze gemäht wurde,
muss sie zunächst einige Zeit (maximal wenige Tage) auf dem Feld zur
sog. Bodentrocknung verbleiben.

Während der Bodentrocknung sollte es nach Möglichkeit nicht zu häufig
regnen, im Idealfall trocken bleiben. Kommt es bei diesem Prozess
doch zu ergiebigen Niederschlägen, kann die frisch gemähte
Grünpflanze schnell verblassen und wertvolle lösliche Stoffe wie
Mineralien, Zucker und Proteine sowie Vitamine gehen verloren.

Bei der Wahl des Erntezeitpunkts muss der Landwirt also möglichst
eine Wetterphase abwarten, die einige trockene Tage bereithält. Dabei
darf die Ernte weder zu früh noch zu spät stattfinden. Eine
frühzeitige Ernte kann aufgrund der nicht vollendeten Entwicklung der
Grünpflanze zu hohen Verlusten führen, eine verspätete zwar zu hohem
Ertrag, aber deutlichen Qualitätseinbußen. Der Landwirt steht daher
vor der Herausforderung, sowohl das Entwicklungsstadium der
Grünpflanze als auch die Wetterentwicklung hinsichtlich zu
erwartender Niederschläge im Auge zu behalten, um den besten
Erntezeitpunkt abzupassen. Gut, wenn der Landwirt dabei auf
verlässliche Wetterprognosen zurückgreifen kann.

Gerade die im Frühsommer stattfindende Ernte des jungen und
proteinreichen Grases, das gerne zu Silage (Gärfutter) verarbeitet
wird, stand dieses Jahr unter keinem guten Stern. Wiederholte, teils
starke Niederschläge weichten nicht nur die Böden auf, wodurch der
Einsatz von Erntemaschinen deutlich erschwert wurde, es öffneten sich
darüber hinaus auch kaum Zeitfenster für die Bodentrocknung. Das
aufgrund der feuchten Witterung üppig wachsende Grün geht vielerorts
schon ins "Lager", es kippt also um und liegt wie eine Matte auf dem
Feld. Die Folge sind Schimmelbildung und Fäulnis.

Die vergangene, kurze Trocken- und Hitzephase nutzten einige
Landwirte indes zu einer reichlich verspäteten Heuernte. Wem sich
diese Chance nicht bot, wird wohl weiter bangen Blickes die
Wetterprognosen verfolgen. Zwischen Tiefdruckgebieten über dem
Nordatlantik und hohem Luftdruck weiter südlich etabliert sich
nämlich eine südwestliche bis westliche Strömung, mit der fortwährend
atlantische Tiefausläufer nach Mitteleuropa gesteuert werden.
Trockene Phasen über mehrere Tage hinweg scheinen bis auf weiteres
ziemlich rar gesät. Man könnte auch sagen: Kaum Heuwetter in Sicht.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.06.2016