Thema des Tages

29-06-2016 14:40

Wetter schreibt Geschichte

Die Liste bedeutender Wetterkapriolen ist lang. Die vielleicht erste
und bekannteste wetterbedingte Katastrophe ist die Sintflut, die
nicht nur in der Bibel und im Koran geschildert wird, sondern von
vielen unterschiedlichen Völkern überliefert wurde. Die Ursache ist
zwar noch nicht endgültig geklärt, die derzeit wahrscheinlichste
Erklärung stützt sich aber auf eine warme Klimaperiode und das
Abschmelzen der Gletscher nach der Eiszeit, wodurch zahlreiche Dämme
brachen und die Meere weltweit innerhalb weniger Monate um
gigantische 120 Meter anstiegen.

Mehrere tausend Jahre später, nämlich Anfang des 15. Jahrhunderts
brach die Kleine Eiszeit an. Die Sommer waren meist nass und kalt,
die Winter extrem lang - eine Katastrophe für Landwirte und Fischer,
Winzer und Viehbauern. Die Folge: Missernten, steigende
Lebensmittelpreise, Hungersnöte und Seuchen; was letztlich soziale
Spannungen in der Bevölkerung verschärfte und sowohl den
Dreißigjährigen Krieg als auch die Französische Revolution
mitverursachte. Denn die einfache Land- und Stadtbevölkerung litt
unter der Nahrungsmittelknappheit als Folge der Klimaverschlechterung
am deutlichsten und so waren es die hungernden Massen, die den beiden
Kriegen zu ihrem Durchbruch verhalfen.

Auch Napoleon bekam die Folgen der Kälte unmittelbar zu spüren: Im
bitterkalten Winter 1812 verlor er bei seiner Russland-Invasion den
Großteil seiner bis dahin eh schon stark reduzierten Armee und damit
den Feldzug; ein entscheidendes Ereignis für die weitere
geschichtliche Entwicklung.

Manch einer hat vielleicht auch schon vom "Jahr ohne Sommer" gehört.
Im Jahre 1815 brach der indonesische Vulkan Tambora aus und
schleuderte etwa 100 Kubikkilometer Asche in die Atmosphäre. Danach
sanken in Europa die Durchschnittstemperaturen um etwa 1 °C, weshalb
1816 als "sommerloses Jahr" in die Annalen einging.

Aber auch andere Wetterelemente beeinflussten das Weltgeschehen: Am
3. August 1945 sollte die erste Atombombe auf Japan fallen. Als Ziel
in Frage kamen Hiroshima, Kokura, Nigata und Nagasaki. Sie alle
wurden an diesem Morgen durch einen wolkenverhangenen Himmel
geschützt, denn die Bombe durfte nur bei Sichtflugbedingungen
eingesetzt werden. Um kurz nach 7 Uhr meldete das amerikanische
Wetterbeobachtungsflugzeug ein Aufreißen der Wolkendecke über
Hiroshima - das Ziel war gefunden. Das Wetter hat also über das Ende
dieser Stadt entschieden.

Als im April 1986 das Atomkraftwerk Tschernobyl explodierte, kam der
Wind aus Ost (und nicht wie meist aus West). Da er sich auch in den
Folgetagen nicht drehte, gelangten die hochgiftigen verstrahlten
Teilchen auch nach Deutschland.

Eine positive Auswirkung des Klimageschehens soll aber nicht
unerwähnt bleiben: Im Raum Frankfurt hat es bis zur Kleinen Eiszeit
Weinbau gegeben. Dann erfroren die Weinstöcke und man begann, aus
Äpfeln Wein zu keltern. Insofern ist "Äppelwoi" eine Konsequenz der
Kleinen Eiszeit - die Liebhaber des süffigen Getränks werden es
danken ...

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.06.2016

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