Thema des Tages

07-06-2019 07:20

Pfingstmontags-Unwetter am 9. Juni 2014 (Teil 1)

Am kommenden Sonntag vor fünf Jahren (damals Pfingstmontag) ereignete
sich in Teilen von Nordrhein-Westfalen (NRW) das schlimmste
sommerliche Unwetter der letzten Jahrzehnte. Im heutigen Thema des
Tages (Teil 1) erinnern wir daran, was an diesem denkwürdigen Tag
geschah..

9. Juni 2014 ? diesen Tag werden viele Mitbürger im Westen unseres
Landes so schnell nicht mehr vergessen. Auch der Autor dieses
Rückblicks kann sich noch sehr gut an diesen Tag erinnern. Damals war
ich noch Doktorand an der Universität Bonn, war zu dieser Zeit aber
bei meiner Familie zu Besuch im fränkischen Bamberg. Es sollte dort
für Anfang Juni mit über 35 Grad der bisher heißeste Tag seit Beginn
der Wetteraufzeichnungen im Jahre 1881 werden und es schien von früh
bis spät die Sonne. Nach einem ausgedehnten Grillabend staunte ich
spätabends beim Blick auf die DWD-Warnkarte nicht schlecht, als weite
Teile NRWs lila eingefärbt waren (höchste Unwetterwarnstufe). Beim
Betrachten der Regenradarbilder wurde mir aber schnell klar, warum
die Warnmeteorologen zu diesem drastischen Schritt gezwungen wurden.

Was ereignete sich an diesem Tag? Eine extreme Hitzewelle erreichte
am Pfingstmontag ihren Höhepunkt. Der Tag begann bundesweit mit viel
Sonnenschein. Doch schon gegen Mittag entstand in der Jülicher Börde
und der Kölner Bucht eine sehr heftige isolierte und rotierende
Gewitterzelle, eine sogenannte Superzelle, die in Bonn Hagel bis 3 cm
Durchmesser hervorbrachte. Zwei weitere ähnliche Superzellen bildeten
sich am Nachmittag vom Niederrhein bis zum Münsterland sowie zwischen
Arnsberg und Brilon. Sie sollten nur die Vorboten der eigentlichen
Unwetterfront sein, zeigten aber bereits frühzeitig, welch hohes
Unwetterpotential in der Atmosphäre vorhanden war. Am frühen Abend
entwickelten sich nun über Nordfrankreich und Belgien neue Gewitter,
die sich schnell zu einem mächtigen Gewitterkomplex vereinten. Es
entstand ein sogenannter ?mesoscale convective complex? (MCC). Dabei
handelt es sich um ein riesiges Gewittersystem, dessen Wolkenschirm
einen Durchmesser von mehreren hundert Kilometern aufweist (siehe
linke Abbildung). Zuerst zog die bedrohlich schwarze Wolkenwand
dieses MCCs auf den Westen von NRW zu. Dabei zuckten im Sekundentakt
Blitze am Himmel und boten eine donnernde Lichtershow. Gegen 20 Uhr
erreichte nun die eigentliche Gewitterlinie des MCCs den Großraum
Aachen. Orkanböen um 130 km/h peitschten den Starkregen horizontal
vor sich her, zahlreiche Bäume wurden entwurzelt oder knickten wie
Streichhölzer um. Schon eine Stunde später (21 Uhr) erreichten die
Unwetter mit zum Teil extremen Orkanböen den Rhein und zogen im
Eiltempo ostwärts über das Ruhrgebiet und das Sauerland hinweg, bis
sie gegen 23 Uhr eine Linie Osnabrück ? Bielefeld erreichten. Erst
als die Gewitterfront nach Niedersachsen weiterzog, ging ihr ganz
allmählich im wahrsten Sinne des Wortes die Puste aus.

Mit Ausnahme des Niederrheins und des nördlichen Münsterlands sorgten
(schwere) Sturmböen in ganz NRW für beträchtliche Schäden. Besonders
schlimm traf es neben dem Raum Aachen allerdings den Raum Düsseldorf
und das Ruhrgebiet, wo eine Böenwalze mit extremen Orkanböen bis zu
150 km/h oder mehr immense Verwüstungen anrichtete. Am Düsseldorfer
Flughafen wurde eine Böe von 144 km/h gemessen, wenig später
erreichte die Böenwalze Essen, wo die Station Essen-Bredeney immerhin
125 km/h registrierte, was ebenso Orkanstärke (12 Beaufort)
entspricht. Die in Aachen, Düsseldorf und Essen gemessenen (extremen)
Orkanböen waren einmalig in den Sommermonaten Mai bis September seit
Beginn der Aufzeichnungen für Windböen (siehe Diagramme). Verfolgt
man die Zugbahn der Gewitterlinie anhand von Radarbildern, kann man
die genannte Orkanspur (lila Bereich in rechter Abbildung) leicht
erklären. Bei besonders intensiven Gewitterkomplexen wie dem hier
beschriebenen Pfingstmontags-Unwetter kann ein sogenanntes Bogenecho
(?bow echo?) entstehen. Orkanböen lassen im Zentrum des
Unwetterkomplexes die Gewitter schneller verlagern als an den weniger
intensiven Rändern der Linie. Dadurch nimmt die zunächst geradlinige
Gewitterfront mehr und mehr die Form eines Bogens oder gar eines
Bumerangs an (siehe linke Abbildung). Im Bereich des Scheitels dieses
Bogenechos treten demnach die höchsten Windgeschwindigkeiten auf.

Trotz der gewaltigen Wucht schaffte es das Gewitterungetüm nicht, die
Hitze aus Deutschland zu verdrängen. Erst zwei Tage später (11. Juni
2014) überquerte eine Kaltfront Deutschland und leitete einen weniger
warmen Witterungsabschnitt ein.

Im zweiten Teil können Sie am kommenden Pfingstsonntag (dem
tatsächlichen Jahrestag) erfahren, welche immensen Auswirkungen
dieses Pfingstmontags-Unwetter auf die Infrastruktur hatte und welche
meteorologischen Voraussetzungen dieses ungewöhnliche Wetterereignis
auslösten.

Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.06.2019

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