Thema des Tages

09-06-2019 07:50

Pfingstmontags-Unwetter am 9. Juni 2014 (Teil 2)

Heute vor genau fünf Jahren (damals Pfingstmontag) ereignete sich in
Teilen von Nordrhein-Westfalen das schlimmste sommerliche Unwetter
der letzten Jahrzehnte. Im heutigen Thema des Tages (Teil 2) blicken
wir auf die Auswirkungen zurück und beleuchten die meteorologischen
Voraussetzungen für dieses ungewöhnliche Wetterereignis.

Das Thema des Tages vom vergangenen Freitag (siehe angefügter Link)
handelte vom Pfingstmontags-Unwetter, welches heute vor genau fünf
Jahren weite Teile NRWs heimsuchte. Es dürfte vielen Bewohnern dieser
Region wohl noch heute in Erinnerung sein, da es beeindruckend,
furchterregend und zerstörerisch zugleich war. Am späteren Abend zog
ein riesiger Gewitterkomplex ostwärts über das Bundesland. Vor und
entlang der Gewitterlinie kam es vor allem im Raum Aachen sowie in
Düsseldorf und dem Ruhrgebiet zu extremen Orkanböen bis zu 150 km/h
oder mehr.


Bei derartigen Windgeschwindigkeiten braucht man wenig Fantasie, um
sich auszumalen, welche immensen Schäden und Auswirkungen solch ein
Unwetter nach sich zieht, das zufälligerweise über eine der am
dichtesten besiedelten Regionen Europas hinwegfegte. Traurige Bilanz
waren sechs Todesopfer, wobei fünf von umstürzenden Bäumen erschlagen
wurden, eine Person starb bei Aufräumarbeiten. Etwa 30 Menschen
wurden schwer und 37 leicht verletzt. Zudem verursachte das Unwetter
eine Spur der Verwüstung. Alles, was nicht niet- und nagelfest war,
wurde von den extremen Orkanböen mitgerissen. Erschwerend kam hinzu,
dass die belaubten Bäume im Sommerhalbjahr dem Sturm eine weitaus
größere Angriffsfläche bieten als kahle Bäume im Winter, sodass sie
bereits schweren Sturmböen zum Opfer fallen können. Verbreitete
Orkanböen entwurzelten selbst große Bäume oder sie knickten
reihenweise wie Streichhölzer um. Allein in Düsseldorf waren es etwa
20.000 Bäume! Sie begruben massenweise Autos unter sich, beschädigten
Häuser und blockierten Verkehrswege. Zahllose Dächer wurden
abgedeckt, mancherorts kam es sogar zu Stromausfällen. Auch der
Bahnverkehr war massiv beeinträchtigt. Noch mehrere Tage nach dem
eigentlichen Unwetter waren viele Bahnstrecken nicht befahrbar. Auf
der Strecke zwischen Essen und Ratingen dauerte es sogar vier Wochen,
bis alle Schäden beseitigt worden waren. Der Gesamtschaden wird auf
unglaubliche 650 Millionen Euro geschätzt, wobei sich alleine die von
den Gemeinden gemeldeten Schäden auf 302 Millionen Euro summierten.
Damit brachte das Unwetter diesen Regionen im Sommer vorher nie
dagewesene Verwüstungen.


Aber was waren die meteorologischen Voraussetzungen für dieses
verheerende Wetterphänomen? Deutschland lag an den Pfingsttagen auf
der Vorderseite (Ostseite) eines umfangreichen Tiefdruckgebiets (ELA)
über dem nahen Ostatlantik (siehe Abbildung). Somit konnte mit einer
südwestlichen bis südlichen Höhenströmung sehr heiße Saharaluft über
das Mittelmeer und Frankreich nach Deutschland geführt werden. Am
Pfingstmontag (9. Juni 2014) erreichte die für Anfang Juni extreme
Hitzewelle ihren Höhepunkt. Vor allem im Süden Deutschlands wurden
zahlreiche neue Hitzerekorde für diesen Zeitraum aufgestellt; entlang
von Rhein, Main und Neckar erwärmte sich die Luft auf
schweißtreibende 35 bis 37 Grad. Während im Osten und Südosten
bodennah relativ trockene Luft einfloss und die Sonne dort den ganzen
Tag scheinen konnte, wurde die Luft im Westen immer schwüler. Somit
war dort der Wassergehalt in der Luft ziemlich hoch und die
Atmosphäre war sehr energiegeladen (hohe CAPE, siehe
DWD-Wetterlexikon). Zudem formierten sich über Frankreich und dem
Westen Deutschlands flache bodennahe Hitzetiefs, in die von beiden
Seiten im Bereich mehrerer Konvergenzlinien die Luft zusammenströmte
und zum Aufsteigen gezwungen wurde. Zu guter Letzt erreichte auch
noch eine Kaltfront den Nordwesten Frankreichs, die kühle Meeresluft
von der schwül-heißen Subtropikluft trennte. Die Kaltfront brachte
die erforderliche vertikale Windscherung (Zunahme des Winds und
Richtungsänderung mit der Höhe, siehe DWD-Wetterlexikon), die ein
wichtiger Hebungsantrieb für vertikale Umlagerungen - wie sie bei
Gewittern stattfinden - darstellt. Es waren quasi alle benötigten
Zutaten für eine Schwergewitterlage vorhanden. Diese machten es
möglich, dass sich ein derart geschichtsträchtiger Unwetterkomplex
entwickeln konnte.


Die damalige Wetterlage wies einige Ähnlichkeiten mit den
atmosphärischen Strömungsverhältnissen der vergangenen Woche auf. Sie
bescherten uns auch dieses Mal zum einen hochsommerliche
Temperaturen. Zum anderen konnten sich in den Nächten von Dienstag
auf Mittwoch sowie von Mittwoch auf Donnerstag jeweils über
Frankreich und BeNeLux ausgedehnte Gewitterkomplexe bilden, die
allerdings zumindest in Deutschland nicht so schadensträchtig waren
wie das Pfingstmontags-Unwetter vor fünf Jahren. So bleibt nur zu
hoffen, dass wir auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten von
derartigen Gewitterungetümen verschont bleiben.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.06.2019

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