Thema des Tages

12-06-2019 08:20

Abstrakte Zahlen, konkrete Gefahren

Die Wetter- und Unwetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes werden
nicht nur farblich codiert, sondern beinhalten darüber hinaus noch
wertvolle Zusatzinformationen. Anhand dieser können die möglichen
Folgen von meteorologischen Ereignissen besser abgeschätzt werden.

Wie auch schon am Pfingstmontag, mussten wir auch am gestrigen
Dienstag unsere Warnkarte ab den späten Nachmittagsstunden ordentlich
einfärben. Die Farben reichten schließlich von orange über rot bis
hin zu violett. Ursächlich dafür waren erneut heftige
Gewitterentwicklungen, die besonders die Osthälfte Deutschlands
betrafen. An sich ist die Farbe der Warnung bereits ein eindeutiger
Hinweis auf die Gefährlichkeit der Gewitterentwicklung, allerdings
sollten auch die in jeder Warnung enthaltenen Zusatzinformationen
beachtet werden. Unter anderem kann daraus entnommen werden, von
welchem Parameter die höchste Gefahr ausgeht. Im Idealfall können
danach auch die weiteren Handlungen abgeleitet werden.

Naturgemäß steht ein jedes Gewitter in unmittelbarem Zusammenhang mit
einer erhöhten Blitzgefahr. Zu Blitzen kommt es allerdings nicht nur
im Kernbereich des Gewitters, diese sind auch in deutlicher
Entfernung davon möglich. Aus diesem Grund und um eine angemessene
Vorlaufzeit zu gewährleisten, sind unsere Warnungen auch immer etwas
größer gefasst. Grundsätzlich sollte bereits nach dem ersten
wahrgenommenen Donner an mögliche Schutzmaßnahmen gedacht werden. Zum
Beispiel wäre ein Blick auf unsere WarnWetter-App sehr sinnvoll, denn
darin sind nicht nur unsere aktiven Warnungen, sondern auch aktuelle
Radarbilder verfügbar. Nähert sich das Gewitter an, sind
Räumlichkeiten oder geschlossene Fahrzeuge (Stichwort "Faradayscher
Käfig") der sicherste Ort. Das Sprichwort von den "zu suchenden
Buchen" und den zu "meidenden Eichen" ist übrigens nicht von
wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeleitet.

Häufig steht mit Gewittern auch kräftiger Regen in Verbindung.
Erreicht dieser eine Rate von mehr als 25 Liter pro Quadratmeter in
einer Stunde, fällt dieser in die Kategorie "heftiger Starkregen".
Werden mehr als 40 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde erreicht,
spricht man von "extrem heftigem Starkregen". Bei letzterer Regenrate
würde das Wasser nach einer Stunde im vom Gewitter betroffenen Gebiet
theoretisch 4 cm hoch stehen. Das klingt erstmal nicht nach viel,
allerdings kann dies besonders in bebauten Gebieten schon zu
ordentlichen Problemen führen. Überschwemmte Keller und Tiefgaragen
sind dann oft unausweichlich, auch kleine Bäche können über die Ufer
treten. Besonders gefährlich sind auch größere, zusammengeschlossene
Gewittergebiete (sog. "Cluster"), die nicht nur örtlich, sondern in
einem größeren Gebiet für Starkregen sorgen. In einem solchen Fall
sind teilweise auch mittelgroße Bäche von Ausuferungen betroffen.
Außerdem ist die Witterung der Vortage von unmittelbarer Bedeutung.
Ist der Boden bereits durch Wasser gesättigt, können auch
verhältnismäßig kleine Gewitterereignisse zum Problem werden. Aktuell
führen beispielsweise die großen Flüsse mit hochalpinem Einzugsgebiet
(Inn, Rhein) durch die starke Schneeschmelze teilweise Hochwasser.
Länger anhaltende Gewittertätigkeit in den Alpen kann dann "das Fass
schnell zu Überlaufen bringen".

Neben dem Starkregen ist auch der Hagel eine nicht zu unterschätzende
Gefahr. Ab einer Korngröße von mehr als 1,5 cm werden die Gewitter
nach unseren Warnkriterien bereits mit Unwetter bewarnt. Es macht
jedoch einen riesigen Unterschied, ob ein Hagelkorn mit einem
Durchmesser von 2 cm, oder eines mit mehr als 5 cm zu Boden fällt.
Bei Großhagel sind schwere Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen,
an Gebäuden oder Fahrzeugen wahrscheinlich. Unterschätzt wird
allerdings häufig die Gefahr für den Menschen. Große Eiskörner haben
nämlich durchaus das Potential einer Person ernsthafte, unter
Umständen auch lebensgefährliche Verletzungen zuzufügen.

Das vierte mit Gewittern in Verbindung stehende Wetterelement ist der
Wind. Dabei können die in Gewitternähe resultierenden Böen bis hin zu
Orkanstärke reichen. Besonders bei den kräftigsten Gewitterzellen der
letzten Tage wurden solche Böen mit mehr als 120 km/h auch von
unseren Wetterstationen gemessen. Man kann sich vorstellen, dass zum
Beispiel belaubte Bäume, lose Gegenstände oder herausgelöste
Dachziegel hier durchaus zur Gefahr werden können.

Am heutigen Mittwoch besteht die Unwettergefahr durch teils schwere
Gewitter vor allem in den Regionen vom Erzgebirge und der Lausitz bis
zur Ostsee. Die Hauptentwicklungen werden am Nachmittag, Abend sowie
in der ersten Nachthälfte erwartet. Neuerlich sind stellenweise
heftiger Starkregen, größerer Hagel sowie einzelne Orkanböen möglich.
Behalten Sie daher bitte unsere Warnungen stets im Auge.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.06.2019

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