Thema des Tages

30-06-2019 07:20

Wie werden eigentlich Temperaturrekorde gemessen?

Werden neue Temperaturrekorde vermeldet, erreichen uns Meteorologen
häufig Kommentare, dass die Temperatur im Garten von Max und Erika
Mustermann doch eigentlich viel höher war als die offiziell
gemessene. Warum kommt es zu solchen Unterschieden bei der
Temperaturmessung?


In dieser Woche wurden so einige Temperaturrekorde aufgestellt. Viele
Stationen meldeten in Deutschland neue Monatsrekorde, sowohl tagsüber
als auch in den Nächten. Am vergangenen Mittwoch, den 26.06.2019,
verzeichneten die Stationen in Coschen (Brandenburg) und Bad Muskau
(Sachsen) mit 38,6 Grad Celsius sogar die höchste jemals im Juni
gemessene Temperatur in Deutschland. Frankreich knackte am
Freitagnachmittag (28.06.) sogar zum ersten Mal seit Beginn der
Temperaturaufzeichnung die 45-Grad-Marke mit 45,9 Grad in
Gallargues-le-Montueux im Département Gard.

Allerdings gibt es bei der Veröffentlichung von offiziell gemessenen
Temperaturrekorden auch immer wieder verwunderte Reaktionen aus der
Öffentlichkeit. Häufig weichen diese nämlich teils recht deutlich
von den höheren Temperaturen ab, die so mancher Bürger von seinem
handelsüblichen Thermometer im Garten, an der Hauswand oder im Auto
abliest.

Aber wie kommt es zu solch deutlichen Unterschieden? Wie misst man
die Temperatur denn überhaupt "richtig"?

Offiziell bestätigte Temperaturwerte in den Datenbanken der
weltweiten Wetterdienste müssen an Wetterstationen gemessen worden
sein, die international festgelegten Standards entsprechen, um
aktuell wie auch in der Vergangenheit global vergleichbar zu sein.

Zunächst braucht man einen geeigneten Standort für die Messung. Dabei
sollten die Wetterdaten repräsentativ für die Umgebung sein und die
Station beispielsweise nicht in einem lokalen ?Kälteloch? liegen. Am
besten eignet sich hierfür ein relativ freier Platz mit genügend
Abstand zu Gebäuden oder hohem Bewuchs auf einem für die Region
natürlichem Untergrund (in der Regel eine kurz gehaltene
Rasenfläche).

Eine der größten Herausforderungen bei der Temperaturmessung besteht
für die Stationsorte sicherlich in der Einhaltung dieser Richtlinien
über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten hinweg. Denn ein
Höchstwert kann nur als solcher anerkannt werden, wenn vergleichbare
Temperaturwerte an einem bestimmten Standort aus der Vergangenheit
vorliegen.

Gemessen wird die Lufttemperatur immer in zwei Metern Höhe über
Grund. Die Messung erfolgt jedoch nicht in der prallen Sonne, sondern
abgeschattet mit einem modernen, aus Kunststoff gefertigten
Lamellen-Strahlungsschutz. Dieser hat an den automatisierten
Standorten die sogenannte ?Englische Hütte? ersetzt. Letztere ist
eine weiß gestrichene Holzhütte mit Außenwänden aus Lamellen und
kommt nur noch an sehr wenigen mit Personal besetzten
Referenzstationen zum Einsatz.

Zur Messung der Temperatur können verschiedene Thermometer verwendet
werden, wobei diese selbstverständlich auch strengen Richtlinien
unterliegen und regelmäßig gewartet werden müssen. Die klassischen
?Englischen Hütten? sind meist mit Flüssigkeitsthermometern
ausgestattet, die allerdings regelmäßig (mindestens stündlich) von
Fachpersonal abgelesen werden müssen. Für die Fernmessung oder den
Einsatz in automatischen Messdatenerfassungsanlagen eignen sich die
Flüssigkeitsthermometer jedoch nicht. Automatisierte Wetterstationen
besitzen daher elektronische Sensoren, welche die Lufttemperatur
kontinuierlich aufzeichnen.

Standardmäßig werden die Stationen gewartet, deren Daten durchlaufen
eine Qualitätsprüfung. Wird nun an einer Station ein neuer
Temperaturrekordwert gemessen, so wird die Anlage vor der offiziellen
Bestätigung des Temperaturrekordes noch einmal genau auf ihre
korrekte Funktionsweise und die Wahrung der örtlichen
Umgebungsbedingungen geprüft. Anschließend geht der Temperaturwert in
die global vernetzten Datenbanken ein und kann wie auch alle anderen
Messdaten von den Wetterdiensten weltweit abgerufen werden.

Am heutigen Sonntag könnten erneut einige Temperaturrekorde purzeln.
Vor allem in einem Streifen von der Lausitz bis zum Oberrhein steigen
die Temperaturen auf bis zu 39 Grad. Dabei ist der erst am
vergangenen Mittwoch aufgestellt Juni-Rekord mit 38,6 Grad schon
wieder in Gefahr. Um die höchste jemals in Deutschland gemessene
Temperatur von 40,3 Grad (Kitzingen, 2015) zu knacken, sollte es
jedoch nicht ganz reichen. Allerdings wird das Thermometer von Max
und Erika Mustermann in der prallen Nachmittagssonne sicherlich auch
Temperaturen jenseits der 40 Grad anzeigen.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.06.2019

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