Thema des Tages

04-07-2019 08:50

Gewitter ist nicht gleich Gewitter - die Einzelzelle als einfachste
Gewitterform

Es vergeht kein Sommer ohne Gewitter. Sie treten in ganz
unterschiedlichen Erscheinungsformen auf. Im heutigen Thema des Tages
wird die Einzelzelle, die einfachste Gewitterform, vorgestellt.

Kein Sommer ohne Gewitter! Dabei gleicht keines dem anderen; vielmehr
kommen sie in den verschiedensten Ausprägungen vor. Während eine
präzise Gewittervorhersage für einen bestimmten Ort nahezu unmöglich
ist, werden die für Gewitter benötigten atmosphärischen "Zutaten"
(z.B. Feuchte, Temperatur und Wind in unterschiedlichen Höhen) von
den Wettermodellen heutzutage gut erfasst. Sie entscheiden über die
zu erwartenden Gewittertypen und ermöglichen es den Meteorologen,
vorab Areale einzugrenzen, in denen mit Gewittern zu rechnen ist und
welche Wettererscheinungen damit verbunden sein können.


Grundvoraussetzung für Gewitter ist eine rasche Abnahme der
Temperatur mit der Höhe. Man spricht dann von einer "labilen"
Atmosphärenschichtung. Im Sommer wird dieser Temperaturunterschied
üblicherweise durch die starke Sonneneinstrahlung verursacht, die im
Laufe eines Tages den Erdboden sowie die darüber liegende Luft
erwärmt. Im Winter ist es genau umgekehrt. Nicht die starke Erwärmung
am Boden, sondern einfließende Kaltluft in der Höhe ist der Grund für
den starken vertikalen Temperaturunterschied und die dadurch
verursachten Kaltluftgewitter. Ganz egal, wodurch diese
Temperaturgegensätze entstanden sind, die Atmosphäre ist danach
bestrebt, diese mithilfe von Gewittern auszugleichen. Zunächst
beginnt die warme bis heiße Luft, ausgehend von bodennahen
Atmosphärenschichten, in große Höhen aufzusteigen. Ein sogenannter
Aufwindbereich (engl. Updraft) als Ausgangspunkt einer jeden
Gewitterzelle entsteht. Als Ausgleichsbewegung bildet sich im
weiteren Verlauf ein Abwindbereich (engl. Downdraft), in dem die
kühlere und damit schwerere Luft aus der oberen Atmosphäre mit Regen
im Gepäck Richtung Boden strömt. Diese beiden vertikalen
Luftbewegungen (Updraft und Downdraft) haben alle Gewitter gemeinsam.



Die sogenannte "Einzelzelle" ist die einfachste Gewitterform. Sie
besteht nur aus einem einzigen Auf- und Abwindbereich und hat eine
horizontale Ausdehnung von etwa zehn Kilometern. Einzelzellen
entstehen meist in einem Bereich mit geringen horizontalen Luftdruck-
und Temperaturunterschieden, also fernab von jeglichen
Frontensystemen innerhalb einer homogenen Luftmasse. Daher bezeichnet
man sie (im Sommer) in der Fachsprache auch als "Luftmassengewitter".
Entscheidend ist dabei, dass der Wind in allen Höhen relativ schwach
ist, sodass sich Einzelzellen nur sehr langsam bewegen oder sogar
nahezu an Ort und Stelle verweilen.


Zunächst erwärmt die Sonne den Erdboden, der in der Folge auch die
bodennahe Luft immer weiter aufheizt. Er fungiert ähnlich einer
Herdplatte, die von unten das Wasser in einem Kochtopf erwärmt.
Angenommen, wir befinden uns über flachem Terrain, dann steigen ab
einer gewissen Temperatur, der sogenannten Auslösetemperatur,
Warmluftblasen auf, vergleichbar mit den Luftbläschen des zu kochen
beginnenden Wassers. Wie im Kochtopf ist es quasi unmöglich,
vorherzusagen, wo die ersten Luftblasen aufsteigen. Solange die
Atmosphäre labil geschichtet ist, erfährt die aufsteigende Luft immer
weiteren Auftrieb und durch deren Sogwirkung kann immer weiter
Warmluft von unten nachströmen. Beim Aufstieg kühlt sich die Luft ab.
Da kalte Luft weniger Wasser speichern kann als warme Luft,
kondensiert der unsichtbare Wasserdampf zu Wassertropfen, wodurch
anfangs eine noch harmlose Blumenkohl-förmige Cumuluswolke entsteht.
Innerhalb von recht kurzer Zeit wächst diese aber weiter in die Höhe
zu einer klassischen Gewitterwolke (Cumulonimbus) heran. Im
Aufbaustadium fällt noch kein Niederschlag und die Gewitterwolke
besteht nur aus dem Aufwindbereich (Updraft, siehe Abbildung), in dem
die Warmluft mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 40 bis 80
km/h in die Höhe schießt. Im Reifestadium ist der Updraft voll
entwickelt und die Wolke erreicht eine Höhe von mehr als acht
Kilometern. Am Oberrand strömt die Luft horizontal aus, wodurch die
Gewitterwolke ihre typische Ambossform (siehe Fotos) erhält. Nach
einer gewissen Zeit kann der Updraft die Niederschlagsteilchen nicht
mehr schwebend halten, sodass sie zu Boden fallen und dabei die Luft
mit nach unten reißen. Es formiert sich so der Abwindbereich
(Downdraft), in dem auch der Regen fällt. Erreicht die Kaltluft des
Downdrafts den Boden, fließt sie horizontal und symmetrisch zu allen
Seiten aus. So schneidet die Kaltluft den Aufwindbereich vom Zustrom
weiterer Warmluft am Boden ab, wodurch der Updraft zum Erliegen
kommt. Damit schaufelt sich die Einzelzelle ihr eigenes Grab, weshalb
sie nur eine Lebensdauer von weniger als einer Stunde besitzt. Im
Auflösestadium existiert dann nur noch der Downdraft.


Sommerliche Einzelzellen sind meist klassische Wärme- oder
Hitzegewitter. Auch die im Winterhalbjahr beobachteten kurzen
Kaltluftgewitter sind diesem Gewittertyp zuzuordnen. Sie sind
unregelmäßig in der Landschaft verteilt und treten bevorzugt am
Nachmittag und Abend auf. Da sich die Luft entlang von Berghängen
schneller aufheizen kann als über dem Flachland, kann die Luft
entlang der Berghänge besonders leicht und frühzeitig aufzusteigen.
Daher bilden sich im Sommer die ersten Gewitter häufig über den
(Mittel-)Gebirgen. Einzelzellen sind lokal eng begrenzt von
Starkregen begleitet. In kräftigen Zellen kann es auch zu
kleinkörnigem Hagel und kräftigen Böen kommen.


Welche weiteren Gewitterformen es noch gibt, erfahren Sie demnächst
an dieser Stelle.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.07.2019

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