Thema des Tages

07-07-2019 11:20

Die Zugbahnen von Hoch- und Tiefdruckgebieten


In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, warum Hoch- und
Tiefdruckgebiete nach deren Entstehung bestimmte Zugbahnen bevorzugen
und was das mit dem Prinzip von Le Chatelier zu tun hat

Wenn man den Blick auf die großräumige Verteilung von Hoch- und
Tiefdruckgebieten in unseren, also den so genannten mittleren Breiten
wirft (diese liegen etwa zwischen dem vierzigsten und sechzigsten
Breitengrad auf der Nordhalbkugel), dann kann man nach einiger Zeit
periodisch wiederkehrende Muster in Bezug auf deren Zugbahnen
erkennen. Muster in dem Sinne, dass diese einmal entstandenen
Druckgebilde in der bei uns vorherrschend zonal geprägten Strömung
(von West nach Ost) im Laufe ihres Lebenszyklus ziehen.

Was sind die wesentlichen Antriebsfaktoren bei der Verlagerung der
Druckgebilde? Durch grob gesagt hohen Luftdruck im Süden (hier
Azorenhoch) und tiefem Luftdruck im Norden (hier Islandtief) sowie
die ablenkende kraft der Erdrotation entsteht in den mittleren
Breiten eine westliche Grundströmung, die in der Höhe meist noch
stärker ausgeprägt ist, da die horizontalen Druck- und
Temperaturgegensätze in der Regel mit der Höhe zunehmen.

Na gut, demnach würden sich die Hochs und Tiefs eben von West nach
Ost bewegen. Das lässt sich relativ leicht nachvollziehen. Aber
warum sind dann die Trajektorien (Zugbahnen) insgesamt eher etwas
gekrümmt? Und zwar haben die Tiefdruckgebiete einen leichten
Linksdrall in Bewegungsrichtung und die Hochdruckgebiete umgekehrt
einen leichten Rechtsdrall. Das bedeutet, dass sich Tiefdruckgebiete
bei genauem Hinsehen im Mittel nicht nur von West nach Ost bewegen,
sondern auch eine leichte Nordkomponente besitzen. Die
Hochdruckgebiete haben hingegen zusätzlich zu ihrer grundsätzlichen
West-Ost-Bewegung auch eine leichte südliche Bewegungskomponente. Wie
gesagt, wir sprechen hier über (zonal gemittelte) Verhältnisse für
die mittleren Breiten. Zonal gemittelt deshalb, weil es um einen
bestimmten Breitengradbereich (hier 40 bis 60 Grad Nord) rund um den
Globus (sämtliche Längengrade) geht.

Woher kommen nun die zusätzlichen Bewegungskomponenten?
Eine Ursache stellt die inhomogene Verteilung der Orografie, also der
Gebirgszüge zum Beispiel innerhalb Europas dar. Für die Bewegung von
Tiefdruckgebieten lässt sich festhalten, dass sie lieber in Richtung
abnehmender Orografie oder salopp gesagt hangabwärts ziehen. Die
Ursache dafür liegt in den dynamischen Eigenschaften eines Gebirges
als Widerstand. Wenn nämlich Luft ein Gebirge anströmt, steigt der
Luftdruck am und auf dem Gebirge (Staueffekt). Das würde unsere Tiefs
mit der Zeit auflösen. Zudem verursacht ein Gebirge mehr Reibung als
flaches Land, was Ähnliches bewirkt, nämlich das Auffüllen des Tiefs.


Umgekehrt verhält es sich bei Hochs, die sich aufgrund des
Staueffekts der Luft am Gebirge lieber hangaufwärts bewegen und sich
auch dort aufhalten.

Wenn wir uns jetzt wieder zonal gemittelt die Verteilung der Gebirge
in den mittleren Breiten anschauen, kommen wir zu dem Schluss, dass
die Orografie von Nord nach Süd insgesamt zunimmt. Dies ist also ein
Faktor für die nördlichere Verlagerung von Tiefs und die entsprechend
südlichere von Hochs.

Ein zweiter Faktor sind thermische Inhomogenitäten in der so
genannten atmosphärischen Grenzschicht, also vom Erdboden bis in rund
1500 m Höhe. Inhomogenität sagt hier etwas aus über die Stabilität
der atmosphärischen Schichtung. Stabil ist die Schichtung dann, wenn
sie mit der Höhe ihren Wärmeinhalt beibehält, also in der Vertikalen
weder zu stark noch zu schwach abkühlt. Ein Maß dafür ist die so
genannte potentielle Temperatur, die bei dieser neutralen Schichtung
mit der Höhe konstant bleibt.

Wenn die potentielle Temperatur allerdings mit der Höhe abnimmt, dann
wird die Schichtung labil und Luftteilchen können ungehindert
aufsteigen. Wenn die potentielle Temperatur mit der Höhe zunimmt,
existiert eine Inversion in höheren Luftschichten, die den vertikalen
Luftaustausch verhindert.

Nach diesem theoretischen Exkurs wieder zurück zu unseren
Druckgebilden. Es zeigt sich insgesamt, dass Tiefdruckgebiete im
Verlauf dahinziehen, wo die Luftmasse vertikal stabiler geschichtet
ist, also die potentielle Temperatur mit der Höhe (vor allem
innerhalb der Grenzschicht) zunimmt. Das ist der Fall in nördlichen
Gefilden, denn Kaltluft ist in der Höhe stabil geschichtet.
Hochdruckgebiete hingegen ziehen im Verlauf dorthin, wo die Luftmasse
labiler geschichtet ist, also die potentielle Temperaturmit mit der
Höhe (bevorzugt innerhalb der Grenzschicht) abnimmt. Warmluft ist
labil geschichtet, da die vertikale Temperaturabnahme größer ist als
bei Kaltluft. Das ist in südlichen Breitengraden gegeben, da dort
durch die stärkere Sonneneinstrahlung der Erdboden viel stärker
aufgeheizt wird.

Damit gibt es auch beim zweiten Faktor (Stabilität der Schichtung)
Übereinstimmung mit den beobachteten Zugbahnen von Hoch- und
Tiefdruckgebieten.

Nichtsdestotrotz mag das Ergebnis paradox klingen, da
Tiefdruckgebiete normalerweise mit großräumiger Hebung und
Hochdruckgebiete mit Absinken verbunden sind. Hier haben wir es
jedoch mit dem Ausgleichsprinzip in der Natur zu tun, wonach diese
bestrebt ist, Gegensätze mit der Zeit abzubauen.

Gegensätze sind in der Meteorologie mit horizontalen Temperatur- und
Druckunterschieden verbunden, die auch auf diese Art und Weise mit
der Zeit indirekt ausgeglichen werden.

Dieses grundlegende Naturprinzip hatte Le Chatelier bereits zum Ende
des 19.Jahrhunderts erkannt, in dem er das Prinzip des kleinsten
Zwangs bei chemischen Reaktionen oder auch bei Zustandsänderungen
postulierte und damit meinte, dass Auslenkungen aus
Gleichgewichtszuständen (z.B. durch einen äußeren Zwang wie
Wärmezufuhr) durch Gegenreaktionen des Systems selbst minimiert
werden, siehe auch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzip_vom_kleinsten_Zwang.

Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.07.2019

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst