Thema des Tages

09-07-2019 08:50

Hagelmessung ? Wirklichkeit oder Utopie?

Hagelschlag gehört zu den meteorologischen Phänomenen, die ein sehr
großes Schadenspotenzial aufweisen. Aber kann man Hagel eigentlich
messen? Ein kleiner Ausflug zu unseren Schweizer Nachbarn.

Auch in diesem Sommer hat es sie schon gegeben. Bei uns, bei unseren
Nachbarn, in weiten Teilen Europas: Schwergewitter! Neben Starkregen
und Sturm respektive Orkan stellt Hagel den dritten Parameter dar,
der einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten kann. An
dieser Stelle wurde sich dem Thema Hagel schon mehrfach gewidmet, vor
allem was seine Entstehung angeht. Heute soll aber mal einer ganz
anderen Frage nachgegangen werden: kann man Hagel messen?

Bei Wind und Regen ist die Angelegenheit klar, es gibt verschiedene
Sensoren und ein relativ dichtes Messnetz (zumindest in Deutschland),
die diese Parameter zeitnah und recht zuverlässig messen. Bei Hagel
sieht es allerdings anders aus. Meteorologen versuchen, bei laufenden
Gewitterlagen das Auftreten von Hagel überhaupt und wenn ja, dessen
Größe/Durchmesser mit Hilfe von Wetterradarmessungen abzuschätzen.
Vereinfacht gesagt werden elektromagnetische Wellen in Richtung der
Gewitterwolken ausgesandt, von wo es zu einer Rückstreuung zum
Radarstandort kommt. Diese Rückstreusignale geben u.a. Auskunft über
den Aufbau der Gewitterwolke sowie den Gehalt an Flüssigwasser und
Eis, woraus der Meteorologe - wohlbemerkt indirekt und auch nur
ungefähr - eine Abschätzung über möglichen Hagel und dessen Größe
treffen kann.

Aber was kommt tatsächlich unten an? Wie wird das gemessen? Bisher
gar nicht, lautet die schlichte Antwort. Es wird aber beobachtet und
gemeldet. Wetterinteressierte Bürgerinnen und Bürger haben die
Möglichkeit, den Zeitpunkt und den genauen Ort des Hagels sowie
dessen Größe via Mail an den Deutschen Wetterdienst (DWD) zu senden.
Dort werden die Meldungen gesammelt und mit den o.e. Radarsignalen
verglichen, mit dem Ziel, einen empirischen Zusammenhang zwischen
beiden Größen (Radarsignatur zu Hagelkorngröße) zwecks besserer
Vorhersagbarkeit herzustellen. Leider weist die Datenbank der
Hagelbeobachtungen große Lücken auf (was freilich in hohem Maße dem
unregelmäßigen Auftreten dieses Phänomens geschuldet ist) und
sicherlich ist aufgrund von Schätzungen auch die Objektivität nicht
immer gewährleistet.

Und jetzt kommen die Schweizer ins Spiel, denen schon immer ein hohes
Maß an Innovation zu eigen war ("und wer hat´s erfunden?"). Aufgrund
steigender Nachfrage von Fachleuten, Versicherungen und Bevölkerung
nach genauen Hagelinformationen hat MeteoSchweiz (der staatliche
Schweizer Wetterdienst) mit anderen nationalen Institutionen und
Firmen ein Projekt gestartet, das bisher weltweit einzigartig ist -
den Aufbau eines Hagelmessnetzes. Im Frühjahr 2018 hat man in drei
Regionen mit der klimatologisch höchsten
Hagelauftrittswahrscheinlichkeit - namentlich im Jura, im Südtessin
sowie in der Napfgegend ost-südöstlich von Bern - mehrere Sensoren
aufgestellt, meist auf Dächern öffentlicher Gebäude. Bei den Sensoren
handelt es sich um sogenannte "HailSens", bestehend aus einer
Makrolonscheibe (Polycarbonat) mit 50 cm Durchmesser. Beim Aufprall
eines Hagelkorns beginnt die Platte zu schwingen, was mit Hilfe eines
unter der Platte installierten Mikrofons aufgezeichnet wird. Damit
können die kinetische Energie, die Korngröße und der Zeitpunkt des
Hagelschlags bestimmt werden. Anschließend werden diese Daten über
Mobilnetz an MeteoSchweiz übermittelt.

Das Schweizer Hagelprojekt ist ein erster Versuch, Informationen wie
Korngröße aber auch Intensität des Hagels automatisch und quantitativ
zu bestimmen und damit den herkömmlichen Datensatz bestehend aus
Beobachtungen von Hagelmeldern zu erweitern. Hauptziel ist es, aus
der Kombination von Wetterradardaten, konventionellen Hagelmeldungen
und den Daten aus dem Messnetz den Radaralgorithmus zur Erkennung und
Prognose von Hagel zu verbessern. Mehr Informationen zu diesem
Projekt finden Sie unter https://bit.ly/2XNmE4L.

Dipl.-Met. Jens Hoffmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.07.2019

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