Thema des Tages

01-08-2019 07:20

Auch Aktien sind wetterfühlig - Teil 2

Sind Aktien etwa wetterfühlig? Kann das Wetter tatsächlich die Kurse
an der Börse beeinflussen? Im zweiten Teil zu diesem Thema werden
weitere Wetterfaktoren aufgezeigt, die unter Umständen Einfluss auf
die Börse und die dort gehandelten Wertpapiere nehmen.

Auf den großen Börsenparketten in den Finanzzentren der Welt geht es
zurzeit drunter und drüber. Teilweise herrscht große Verunsicherung,
unter anderem aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Abkühlung sowie
politischer Konflikte. Andererseits zieht die vorherrschende
Niedrigzinspolitik Groß- als auch Kleininvestoren magisch an, was die
Preise für Aktien steigen lässt. Aber nicht nur die Wirtschaft und
die Politik beeinflussen die Aktienkurse. Auch das Wetter spielt
dabei eine Rolle.

Der weitreichende Einfluss des Wetters ist immer wieder faszinierend.
Vom Kleinbauern und Hobbysportler bis zum Katastrophenschutz
beeinflusst uns das Wetter tagtäglich. Selbst am Aktienmarkt kann man
die Auswirkungen des Wetters spüren. Wie bereits in Teil 1 dieses
Artikels
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/7/17.html)
beschrieben, gibt es zahlreiche Studien dazu, wie sich das Wetter auf
die Stimmung der Anleger und "Market Maker" und somit auch auf den
Börsenhandel auswirken kann.

Ein offensichtlicher Grund sind die vorherrschenden Wetterbedingungen
vor Ort. Wegen extremen Witterungsbedingungen konnte eine
Wertpapierbörse in der Vergangenheit durchaus auch mal geschlossen
bleiben. Der New Yorker Stock Exchange (kurz: NYSE) blieb seit 1885
immerhin schon 23 Mal wegen Schneestürmen, Hitze- und Kältewellen
oder auch aufgrund einzelner Hurrikans geschlossen. Zuletzt sorgte
übrigens Hurrikan Sandy im Oktober 2012 nicht nur für erhebliche
Schäden in New York, auch die NYSE blieb erstmals seit einem der
heftigsten Blizzards der Region im Jahr 1888 für zwei Tage in Folge
geschlossen.

Aber nicht nur die Börsen, auch die Kurse einzelner Wertpapiere
können teilweise stark vom Wetter beeinflusst werden. Ein langer,
harter Winter in Europa mit teils heftigen Schneefällen treibt
beispielsweise die Nachfrage von Streusalz massiv in die Höhe. In der
Folge greifen Anleger gerne mal bei Aktien von Streusalzproduzenten
zu, wie beispielsweise bei der K+S AG oder den Südwestdeutschen
Salzwerken. Auch das Geschäft der Reifenbranche läuft dann auf
Hochtouren. Zudem wird viel geheizt, somit treibt die steigende
Nachfrage den Heizölpreis in die Höhe. In der Folge ziehen die
Aktienkurse an - je mehr ein Unternehmen von den Geschäften mit
Streusalz, Reifen, etc. profitiert, desto stärker steigt die Aktie.
Aber nicht nur K+S oder Continental können von einem harten Winter
profitieren. Anleger, die auf etwas ausgefallenere Aktien stehen,
kaufen auch Schweizer Bergbahnaktien wie Jungfraubahn Holding oder
Engelberg-Truebsee-Titlis.

Aber nicht alle profitieren von solchen winterlichen Wetterkapriolen.
Schwere Schneefälle beispielsweise in Frankfurt am Main, machen der
Lufthansa deutlich zu schaffen. Die Zeche, die aufgrund von
Flugausfällen entsteht, muss von den Aktionären mitgetragen werden.
Auch die Aktie des Betreibers von Deutschlands größtem Flughafen, die
Fraport-Aktie, wird in solchen Fällen in Mitleidenschaft gezogen,
wenn auch nicht ganz so stark, wie die Aktie der Lufthansa.

Im vergangenen Jahr 2018 stellte sich bei unterdurchschnittlichen
Regenmengen über mehrere Monate hinweg eine große Dürre in
Deutschland ein. In der Folge führten viele Gewässer über lange Zeit
nur noch wenig Wasser. In neun der fünfzehn größten Flüsse in
Deutschland herrschte an über 100 Tagen extremes Niedrigwasser. Dies
war nicht nur für die Natur eine extreme Belastung. Auch Unternehmen,
die zumindest teilweise von der Binnenschifffahrt abhängig sind,
machte das Niedrigwasser zu schaffen. Am Rhein mussten vor allem
ThyssenKrupp und die BASF die Produktion teilweise erheblich
drosseln. Denn trotz der andauernden Hitze und dem gesunkenen
Rheinpegel sind gesetzliche Vorschriften in Kraft, wonach nur eine
begrenzte Menge an Kühlwasser aus dem Rhein entnommen werden darf.
Zudem kam es zur Begrenzung des Warentransports über den Rhein. Die
anliefernden Frachter konnten aufgrund des Niedrigwassers nur noch
einen Bruchteil der zur Produktion benötigten Rohstoffe anliefern,
teilweise musste auf alternative Verkehrsträger ausgewichen werden.
Dadurch stiegen auch die Transportkosten im gleichen Zeitraum massiv
an, was sich wiederum in der Bilanz der jeweiligen Unternehmen
niederschlug.

Aber nicht nur Firmen bekamen die Auswirkungen des Niedrigwassers zu
spüren. Auch die Benzinpreise zogen in dieser Zeit mächtig an. Von
Aachen über das Rheinland bis nach Österreich sahen sich einzelne
Tankstellen sogar gezwungen zu schließen, da ihnen schlichtweg der
Nachschub an Sprit fehlte.

Der Einfluss des Wetters hängt auch mit dem Radius zusammen, in dem
ein Unternehmen agiert. Denn je kleiner sich dieser Radius darstellt,
desto empfindlicher reagiert die Aktie des Unternehmens auf lokale
Wetterereignisse. Klar ist aber auch, dass der Einfluss des Wetters
auf die Aktienkurse meist sehr beschränkt und eher von kurzfristiger
Natur ist. Langfristig spielen sicherlich andere, komplex
zusammenhängende Faktoren, wie Unternehmensstrategie, die
Rentabilität, das Branchenumfeld usw. eine maßgebliche Rolle.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.08.2019

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