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14-08-2019 08:20

Fastnet-Tragödie vor 40 Jahren - Heute vermeidbar?

Heute vor 40 Jahren überraschte ein Orkan die Teilnehmer der
berühmten Fastnet-Regatta. Es war die größte Katastrophe des
Segelsports. Hätte sie mit der heutigen Wettervorhersage verhindert
werden können?

Die Fastnet-Regatta ist eine der berühmtesten Segelregatten der Welt.
Alle zwei Jahre bildet sie im August den Höhepunkt der Cowes Week auf
der Isle of Wight. Dann segelt die weltweite Segelelite über mehrere
Tage 608 Seemeilen entlang der Südwestküste Englands, vorbei an Lands
End, zu einem kleinen Felsen an der Südwestecke von Irland, dem
Fastnet-Rock, anschließend geht es zurück nach Plymouth.

1979 endete diese Regatta in der schlimmsten Tragödie im Segelsport,
als die teilnehmenden Yachten nach etwa 60 bis 72 Stunden in der
Nacht vom 13. auf den 14. August im Bereich der Keltischen See
südlich Irlands von einem überaus heftigen Sturm erfasst wurden.
Dabei kamen besonders auf den kleineren Yachten 15 Segler und 3
Seenotretter ums Leben.

Dieses Desaster ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen, insbesondere
aber auf eine unzureichende Wettervorhersage. Damalige
Modellvorhersagen hatten ein Sturmtief ungenügend erfasst, das
besonders schnell über den Nordatlantik zog und sich erst im Bereich
Irlands explosionsartig vertiefte. Ohne entsprechende Warnungen
gerieten die Regatta-Teilnehmer in ein Windfeld, das mit Orkanböen
die See zu haushohen Wellen aufpeitschte. Zusätzlich entstanden
Kreuzseen infolge Windrichtungsänderungen bei Durchzug des Tiefs.

Am Beispiel dieser fatalen Wettersituation sollen die Verbesserungen
in der Wettervorhersage während der letzten 40 Jahren veranschaulicht
werden. Dazu wurde auf Grundlage des erst kürzlich veröffentlichten
Reanalysedatensatzes ERA5 des Europäischen Zentrums für
mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW), der einen globalen
Analysedatensatz des Zustands der Atmosphäre während der letzten
Dekaden bereithält und ursprünglich vor allem für die Klimaforschung
erstellt wurde, mit der aktuellen Version des ICON, dem globalen
Wettervorhersagemodell des DWD, die damalige Wetterentwicklung neu
simuliert. Der Focus liegt auf der Frage, ob auf der Basis der
heutigen Wettervorhersagen die Wettfahrtleitung der Fastnet-Regatta
in der Lage gewesen wäre, das Rennen noch vor Beginn abzusagen oder
im Verlauf so anzupassen, dass die Teilnehmer den Durchzug des Orkans
in sicheren Häfen hätten erleben können.
Es geht also letztlich darum, inwieweit die Präzision heutiger
Wettervorhersagen Segelregatten auch über einen längeren Zeitraum
sicherer machen.

Stark vereinfacht ausgedrückt lässt sich die Wettervorhersage in zwei
Bestandteile aufteilen. Das ist zum einen der Anfangszustand
(Analyse) und zum anderen die Entwicklung weg vom Anfangszustand
(Wettermodell). Beide Gebiete haben in den vergangenen 40 Jahren eine
starke Entwicklung durchlaufen. Im Bereich der Analyse hat z.B. die
Gewinnung raum-zeitlich hochaufgelöster Satellitendaten kombiniert
mit neuen Methoden und Verfahren, diese Daten aufzubereiten, z.B.
4D-Var, in die Wetterprognose von heute Einzug erhalten. Im Jahre
1979 fand eine Analyse weitestgehend auf der Grundlage von
vergleichsweise spärlichen Daten aus Bodenwettermeldungen ergänzt
durch Messungen von Flugzeugen und Radiosonden statt. Ähnlich groß
ist die Diskrepanz zwischen den Wettermodellen von damals und heute.
Das den Meteorologen vom Britischen Wetterdienst 1979 zur Verfügung
stehende Octagon rechnete entsprechend der technischen Gegebenheiten
damals mit einem horizontalen Gitterpunktsabstand von 300 km auf 10
Schichten in der Vertikalen und bis zu 72 Stunden in die Zukunft.

Anders heute, wo das ICON zum einen mit einem horizontalen
Gitterpunktsabstand von 13 km auf 90 Schichten für 265 Mio.
Gitterpunkte global eine Vielzahl von Parametern bis zu 180 Stunden
in die Zukunft berechnet, zum anderen auch die nicht direkt zu
berechnenden Prozesse der Atmosphäre, z.B. Strahlung und
Niederschlag, durch feinere Parametriesierungsverfahren in der
Simulation berücksichtigt.

Das Ergebnis einer "Nach-Vorhersage" der historischen Wetterlage des
Fastnet-Sturms ist in der Abbildung zu sehen. Diese zeigt den
ICON-Lauf vom 11.08.79 00 UTC. Abgebildet ist die 72h-Prognose für
den 14.08.79 00UTC des Bodendrucks sowie des Mittelwinds in 10 m Höhe
gelblich eingefärbt für relevante Teilbereiche des Fastnet-Sturms
(LY). Der ICON-Lauf prognostiziert zu diesem Zeitpunkt einen schweren
Sturm mit Kerndruck von 981 hPa dicht südwestlich Irlands und einen
Mittelwind von bis zu 50 Knoten an der Südflanke des Tiefs. Ein
solches Modellergebnis hätte am Morgen des 11.08.79 den Meteorologen
vorgelegen, also noch vor Auslaufen des Regattafeldes, und einen
qualitativ signifikanten Hinweis auf die sich entwickelnde schwere
Sturmlage gegeben. Die Wettfahrtleitung sowie Regattateilnehmer wären
informiert und hätten ihr Vorgehen mit großem zeitlichen Vorlauf
anpassen können.

Unter Einbeziehung von Satellitendaten findet eine vergleichbare
Prognose einer solchen Entwicklung heutzutage noch genauer statt.
Zudem hat die probabilistische Betrachtung mittelfristiger
Wetterberatungen Einzug erhalten, so dass etwaige
Prognoseunsicherheiten von Meteorologen/innen besser abgeschätzt
werden können.

Dipl.-Met. Tobias Schaaf und Dipl.-Met. Reinhard Strüfing
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.08.2019

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