Thema des Tages

18-08-2019 08:20

Der 100-jährige Kalender

Dass die Wettervorhersage nicht immer richtig ist, ist hinlänglich
bekannt. Die Prognosesicherheit ist zwar sehr gut, dennoch werden wir
immer wieder, gerade bei Fehlprognosen, gefragt, warum wir nicht den
100-jährigen Kalender zurate ziehen.

Früher, und ich meine damit lange bevor es die Wissenschaft gab, wie
wir sie heute kennen, mussten sich die Menschen auf andere Dinge
verlassen, um das Wetter abschätzen zu können. In einem früheren
Thema des Tages
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2018/11/1.html) wurde
bereits das tierische Gespür fürs Wetter beschrieben. Doch auf die
Tiere allein und auf die Aussagen der Alten und Weisen im Dorf,
wollte sich nicht jeder verlassen.

Im Bistum Bamberg wollte der Abt Moritz Knauer im 16. Jahrhundert
durch regelmäßige Wetterbeobachtung und daraus abgeleiteten
Vorhersagen zu Ernte und Aussaat die Landwirtschaft unterstützen. Er
führte von 1652 bis 1659 Tagebuch über das Wetter. Nach den 7 Jahren
stellte er die Beobachtung ein, denn damals glaubte man, dass das
Wetter von den 7 "Planeten" Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus,
Merkur und Mond bestimmt wurde, die sich jährlich abwechselten. Nach
7 Jahren würde sich demnach das Wetter wiederholen.

Das erste Jahr, das Saturnjahr, beschrieb er als feucht und kalt. Das
Zweite, das Jahr des Jupiters, als ziemlich warm und trocken. Das
Marsjahr, drittes Jahr, beschrieb er als trocken mit heißen Sommern.
Das Sonnenjahr war Knauers Beschreibung nach mäßig warm und trocken,
das Venusjahr warm und trocken, mit einem schwülen Sommer. Das
sechste Jahr, das Merkurjahr, war kalt und trocken und das siebte
Jahr, das Mondjahr, kalt und feucht, allerdings mit einer Tendenz zu
warmen Sommern.

Seine Beobachtungen konnte er nicht mehr veröffentlichen, denn er
starb 1664, nur 6 Jahre nach Beendigung seiner Wetterbeobachtung.
Wenige Jahre später veröffentlichte jedoch der Arzt Hellwig aus
Frankfurt den Kalender, zusammen mit der Angabe, an welchen Jahren
zwischen 1701 und 1801 welcher Planet für welches Jahr zuständig war.
Aus dieser Zeit stammt die Bezeichnung "100-jähriger Kalender".

Dieses Jahr, also das Jahr 2019, ist übrigens ein Merkurjahr. Nach
dem 100-jährigen Kalender soll es eher trocken und kalt sein. Für den
August prophezeit der Kalender einen Beginn mit großer Hitze, dann
eine Woche mit Regen und Sturm, gefolgt von wechselhaftem oder
"unschönem" Wetter. Zum Ende des Monats sagt er recht schöne und
warme Tage vorher. Tatsächlich startete der Monat August zwar warm,
die große Hitze folgte aber in der "stürmischen und regnerischen"
zweiten Woche. Die vergangenen Tage waren immerhin gebietsweise
wechselhaft und auch deutlich kühler, als zuvor, passen also grob zur
schwammigen Aussage von "unschönem Wetter".

Heute wissen wir, dass weder Planeten noch der Mond für unser Wetter
verantwortlich sind. Daher ist der 100-jährige Kalender keine Hilfe
bei einer professionellen Wettervorhersage. Einzig die Sonne hat
Einfluss auf unser Wetter. Die langjährige Wetterbeobachtung hat uns
auch gelehrt, dass es keine rhythmische Wiederkehr des Wetters gibt.
Zwar kann man mit Hilfe des 100-jährigen Kalenders auch mal einen
Treffer bei der Vorhersage landen, die Anzahl der Fehlprognosen wird
aber überwiegen. Setzt man beides ins Verhältnis, so kommt man auf
wenig brauchbare Wettervorhersage aus diesem Kalender.

Dipl.-Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.08.2019

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