Thema des Tages

30-08-2019 09:20

Städtische Wärmeinseln

In den Städten ist es oft wärmer als im direkt angrenzenden Umland.
Die Unterschiede können dabei durchaus beträchtlich sein. Aber warum
gibt es diese Abweichungen?

Nach hochsommerlich heißen Tagen, wie sie jüngst öfter auftraten und
auch noch bis zum kommenden Sonntag vorkommen werden, hofft man
zumindest nachts auf Erfrischung durch Abkühlung. Doch wer in der
Großstadt wohnt, wird schon oft festgestellt haben, dass sich diese
dort meist in Grenzen hält - ganz im Gegensatz zu ländlichen
Gebieten, wo man nachts viel effektiver durchlüften kann. Auch die
Messwerte geben dies wieder: Am 27.08.2019 wurden in
Stuttgart-Schnarrenberg und im 32 km entfernten Mühlacker jeweils
ähnliche Tageshöchstwerte von etwas über 30 °C erreicht. Um 23 Uhr
dann war im Mühlacker das Thermometer bereits auf 18 °C gesunken, in
Stuttgart hingegen herrschten noch 21,6 °C. Und während man in
Mühlacker bei Nachttiefstwerten von 14,8 °C einigermaßen durchatmen
konnte, wurde in Stuttgart mit 19,4 °C das Kriterium einer
Tropennacht (Tiefstwerte nicht unter 20 °C) nur knapp verfehlt. Da
stellt sich doch die Frage, warum sich bei gleichen Startbedingungen
die Nachttemperaturen zwischen Land und Stadt so unterschiedlich
verhalten?

In diesem Zusammenhang spricht man auch von der städtischen
Wärmeinsel, eine Eigenschaft, die Großstädte und Ballungsgebiete im
Allgemeinen aufweisen. Dabei kann der nächtliche
Temperaturunterschied zwischen Städten und ihrer ländlichen Umgebung
unter günstigen Bedingungen bis zu 10 °C betragen. Fakt ist, dass
urbane Gebiete Wärme effektiver speichern können. Um dieses Phänomen
zu verstehen, stellen wir zunächst ein paar allgemeine Betrachtungen
an:

Die Erwärmung am Tag erfolgt über die Strahlung der Sonne. Über
freien Flächen (z. B. Wiesen) wird diese am Tag aufgenommen
("absorbiert") und nachts wieder abgestrahlt ("emittiert"). Dies
funktioniert umso effektiver, je sauberer die Luft und je klarer der
Himmel ist. Zusätzlich haben Pflanzen eine eigene Kühlung eingebaut:
An ihrer Oberfläche verdunstet stets etwas Wasser, wobei
Verdunstungskälte entsteht - ganz analog dazu, warum wir Menschen bei
Hitze schwitzen. Dies verhindert tagsüber eine zu starke Erwärmung
und fördert die nächtliche Abkühlung. Ein weiterer Faktor ist die
Schattenwirkung von hohen und dicht belaubten Bäumen, vor allem in
dicht bewaldeten Gebieten. Im Wald kann es daher tagsüber um 3 bis 6
°C kühler sein als im angrenzenden freien Umland. Gegenüber der Stadt
ist sogar ein Unterschied von 4 bis 8 °C möglich.

Speziell in den Zentren der großen Städte, wo Straßenschluchten und
hohe Gebäude dominieren, fehlt es an üppiger Vegetation, wodurch
natürliche Kühlungseffekte geringer ausfallen. Stattdessen fördern
Städte vielmehr sogar die tägliche Erwärmung: Durch die Wände der
hohen Gebäude gibt es (bei passendem Einfallswinkel der Sonne)
zusätzliche Oberfläche, welche die Wärme absorbieren und speichern
kann. Dazu sind Stein und Beton im Allgemeinen Materialien, bei
welchen dies besonders gut funktioniert.

Strahlt diese Wärme dann abends und nachts ab, wird sie vornehmlich
zwischen den Wänden hin und her reflektiert, anstatt nach oben zu
entweichen. Ein weiteres Hindernis für die Abstrahlung der Wärme sind
in Großstädten durch stärkere Luftverschmutzung vermehrt vorkommende
Aerosole (Schadstoff- und Staubpartikel) in der Atmosphäre.

Dazu kommt, dass die in den Straßenschluchten "eingeschlossene" Luft
speziell bei windschwachen Lagen (wie sie in den letzten Tagen
vorherrschten) kaum noch von selbst zirkuliert, wodurch der
Luftmassenaustausch mit kühlerer Luft am Stadtrand eingedämmt wird.
Dann entstehen die oft erwähnten "Hitzeglocken" über den Städten.

Und schlussendlich spielt auch die Versiegelung des Bodens eine
Rolle: Nach Niederschlagsereignissen hält Boden mit natürlicher
Vegetation die Feuchte länger fest als die Bebauung der Großstädte,
in denen das Wasser meist rasch in die Kanalisation abfließt. Der
längere Feuchteeintrag sorgt aber auch dafür, dass die
Verdunstungsabkühlung länger anhält und die Temperatur dadurch
stärker sinkt.

Speziell bei Hitzetagen kommen die Effekte der Wärmeinsel besonders
deutlich für jeden "fühlbar" zum Tragen. Doch auch bei anderen
Temperaturbedingungen lässt sich dieses Phänomen beobachten: So liegt
bei Schneelagen im Winter in Großstädten oft weniger Schnee als im
Umland - nicht nur, weil er dort schneller weggeräumt wird, sondern
auch, weil meist erst gar nicht so viel liegen bleibt.

Bestätigt wird der Wärmeinseleffekt durch entsprechende Messreihen
mit Vergleichen von Stadt- und Umgebungstemperaturen über längere
Zeiträume. Im Mittel beträgt der Unterschied 1 bis 2 °C. Darüber
hinaus schwanken die Temperaturunterschiede über das Jahr.
Statistiken im Berliner Raum zeigen beispielsweise ein Maximum im
Hoch- und Spätsommer, wohingegen die Differenz in den Wintermonaten
kleiner ist. Eine mögliche Ursache dafür stellt die geringere
Sonneneinstrahlung dar, hervorgerufen durch einen niedrigeren
Sonnenstand (kürzere Tageslänge) sowie die Tendenz zu mehr Bewölkung
und Nebel zur kalten Jahreszeit. An genauen Erklärungen wird aber im
Rahmen von Stadtklima-Studien noch geforscht, zumal nicht alle
Statistiken diesem Modell der jahreszeitlichen Schwankungen folgen.

Um den Stadtklima-Effekten bzw. den Wärmeinseleffekten
entgegenzuwirken, wurden Initiativen für mehr Begrünung der Städte
ins Leben gerufen. Diese haben deshalb nicht nur ästhetische, sondern
auch ökologische Hintergründe und werden bei in Zukunft häufiger
auftretenden Hitzewellen immer wichtiger.

Praktikant Niklas Anczykowski (B.Sc. Student Meteorologie) und
Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.08.2019

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