Thema des Tages

08-09-2019 09:20

Heute und am Montag viel Regen, aber wo genau?


Im gestrigen Thema des Tages (07.09.2019) wurde bereits über die
derzeitige Wetterlage berichtet. Mit diesem Beitrag soll der Versuch
unternommen werden, Gründe aufzuzeigen für die Unsicherheit der
Modellvorhersagen, die teils den unvollkommenen Berechnungen der
gängigen Modelle, teils auch natürlichen Ursachen geschuldet sind.

Nochmal zurück zum gestrigen Thema des Tages: ?Eine interessante
Wetterlage stellt sich schließlich ab Sonntagmittag ein. Das Tief
südlich der Alpen zieht nämlich von der oberen Adria über
Ostösterreich nach Tschechien und weiter bis nach Polen. Kenner der
Meteorologie werden alleine schon durch diesen Satz hellhörig werden,
denn eine solche Wetterlage hat generell Potenzial für stärkere
Regenfälle.?

Das Potenzial für stärkere Regenfälle ist unstrittig, aber können wir
momentan bereits ungefähr sagen, wo die größten Regenmengen zu
erwarten sind und welchen Charakter die Regenfälle besitzen?

Derzeit macht es Sinn, sich die Wahrscheinlichkeiten hochaufgelöster
Modelle (z.B. Cosmo D2) für Regenmengen in 6 oder 12 Stunden
anzuschauen. Genauer gesagt geht es um die Wahrscheinlichkeiten der
einzelnen Modellläufe (so genannte Ensembleprognose, EPS), die mit
leicht geänderten Ausgangsbedingungen gerechnet werden. Wenn diese
ähnlich sind, steigt die Wahrscheinlichkeit z.B. für ein
Regenereignis.

Nach dem aktuellen Cosmo D2 Modell (EPS) ergeben sich für Starkregen
oder starken Dauerregen bis morgen Abend (09.09.2019) einige
Schwerpunkte:

- bis heute 20 Uhr Bodensee-Schwäbische Alb, später auch gesamter
Alpenrand (bis zu 30 l in 6 bzw. 12 Stunden mit ca. 60%
Wahrscheinlichkeit);
- bis Montagfrüh 08 Uhr (Ost-)Erzgebirge/ Zittauer Gebirge bis zur
Oberlausitz, zuvor ggf. auch Bayerischer und Oberpfälzer Wald bis
nach Oberfranken und zum Vogtland (rund 30 l in 12 Stunden mit ca.
50% Wahrscheinlichkeit);
- bis Montagabend 20 Uhr im Osten und Nordosten (rund 20 bis 30 l in
6 oder 12 Stunden mit knapp 30% Wahrscheinlichkeit).

Hier sieht man bereits die Schwierigkeiten ? es geht um die
Wahrscheinlichkeit des Auftretens für eine bestimme Region. Zudem
handelt es sich hier nur um ein Modell, andere Modelle bieten
durchaus andere Lösungen an.
Aber warum tun sich die Modelle so schwer damit, und dass selbst mit
Wahrscheinlichkeitsaussagen zur Annäherung an die reale Situation in
der Natur?
Nun ja, dazu müssen wir die gegenwärtige Wetterlage noch etwas
genauer unter die Lupe nehmen. In rund 5,5 km Höhe ist Höhenkaltluft
bis über die Alpen nach Süden vorangekommen. Diese Höhenkaltluft
sorgt in dieser Höhe für tiefen Luftdruck. Dieser steht im Gegensatz
zum umliegenden hohen Luftdruck sowohl in Osteuropa als auch zum
Atlantik hin. Genau diese Druckgegensätze bestimmen auch die
Temperaturgegensätze. Solche Temperatur- und Druckgegensätze
verursachen normalerweise starke Winde. Im vorliegenden Fall ist aber
der Höhenwind in 3 bis 6 km nicht sonderlich stark ausgeprägt. Aber
gerade der Wind in dieser Höhe oder genauer gesagt das
Zusammenfließen der Luft dort bewirkt eine erzwungene Hebung der Luft
nach oben und nach dem Gesetz der Erhaltung der Masse einen
Luftnachschub von unten her (Sogeffekt). Wenn Luft angehoben wird,
kühlt diese ab, kondensiert und bringt Regen.

Da nun bei dieser Wetterlage das Starkwindband in der Höhe nicht so
stark ausgebildet ist, sondern vielmehr flattert, ist auch die Hebung
der Luft eher diffus verteilt. Das Starkwindband in der Höhe weist so
momentan einige Stellen des Zusammenfließens als auch des
Auseinanderdriftens auf. Das spiegeln auch die Modelle wider. Ebenso
zeigen die Modelle eine schwächere Entwicklung des Bodentiefs südlich
der Alpen, auch bedingt durch schwächere Hebungsimpulse in der Höhe.


Verstärken wird sich das Bodentief voraussichtlich ab Sonntagabend/
Nacht zum Montag, wenn letzteres über Österreich nach Tschechien und
Polen zieht und so von Südosten her wärmere Luft angezapft werden
kann. Das sorgt für größere Temperatur- und Druckgegensätze am Boden
und in der Höhe. Dadurch nimmt auch der Wind und vor allem das
Zusammenfließen (konvergieren) des Windes in dem Bereich zu, wo der
Niederschlag in unseren Breiten hauptsächlich gebildet wird (im
Mittel in ca. 2 bis 4 km Höhe). Das könnte dann bis Montagabend von
Sachsen bis nach Mecklenburg-Vorpommern recht flächig Regen geben,
teils auch schauerartig oder gewittrig durchsetzt.
Abschließend kann man sagen, dass es für unsere Modellberechnungen
immer noch eine Herausforderung darstellt, die exakten Druck- und
Windfelder sowie die damit einhergehenden Konvergenzen
(Zusammenfließen) und Divergenzen (Auseinanderfließen) im Windfeld
für jede Höhenstufe zu berechnen. Die Natur weicht eben hin und
wieder von unseren teils idealisierten Vorstellungen geglätteter
Windverhältnisse in der Höhe ab.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.09.2019

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