Thema des Tages

11-09-2019 07:50

Man weiß nie, was passiert...

Samstagabend, 20:15 Uhr, RTL-Show, ein Millionenpublikum, eine
meteorologische Frage und Kollegen vom Wetterdienst mitten drin...

Da staunten die Kollegen der Seewetterzentrale in Hamburg nicht
schlecht, als sich am vergangenen Samstagabend gegen 21:20 Uhr
Ortszeit die "Ehrlich Brothers" (Andreas und Christian Ehrlich,
deutsches Magier- und Entertainerduo) - live aus der RTL Show "Denn
sie wissen nicht, was passiert" telefonisch meldeten. Was war
passiert?

Es lief die 3. Spielrunde der Unterhaltungsshow mit dem Titel "Frage
die Hotline", in der an diesem Abend das Team um Barbara Schöneberger
und Günther Jauch gegen die besagten "Ehrlich Brothers" antraten.
Thomas Gottschalk übernahm die Rolle des Moderators. Er stellte in
dieser Runde der Reihe nach Schätzfragen, die es mit einer möglichst
geringen Abweichung zum exakten Wert zu beantworten galt. Abwechselnd
hatten die Teams dabei einen Telefonjoker. Anders als bei DEM
Quizformat schlechthin "Wer wird Millionär" wurde dieser von den
Kandidaten aber nicht im Vorfeld benannt, sondern war anhand mehrerer
"Servicehotlines" vorausgewählt. Neben der handelsüblichen
"Telefonauskunft", dem "Pannendienst", dem "Rohreinigerservice",
einer "Wahrsagerin", der "Bahnauskunft" fand sich dabei auch der
"Wetterdienst" wieder. Die Fragen waren dabei so gestellt, dass im
Kontext häufig klar war, welcher Gesprächspartner am ehesten die
Expertise zu deren Beantwortung mitbringen würde.

Und so wurde von Thomas Gottschalk nun folgende Frage gestellt: "Wie
groß war die Differenz zwischen der höchsten und niedrigsten in
Deutschland gemessenen Temperatur in diesem Jahr?" Auch wenn die
Kandidaten aus den Vorrunden Gefallen an den Bandaufsagen der
Wahrsager gefunden haben, so hieß es am Ende doch: Klarer Fall für
den Wetterdienst - natürlich! Sie landeten in der Regional- und
Seewetterzentrale in Hamburg und wurden unaufgeregt vom
Fachdienstkollegen "in Empfang genommen".

Nun muss man dazu sagen, dass "obskure" Anrufe im Dienst - je später
die Nacht - keine Ausnahme sind. Nicht selten sind dann weniger die
Vorhersage- als vielmehr die Seelsorgekünste im Gespräch gefragt,
weil der/die Anrufer/-in krank, verwirrt oder betrunken ist oder
einfach mal jemanden "zum Quatschen braucht". Doch wer rechnet schon
damit, auf einmal live in einer Unterhaltungsshow zu sein? Spätestens
als sich Thomas Gottschalk einschaltete, um die Frage nochmal genau
vorzulesen (die Stimme kommt einem ja nach insgesamt 22 Jahren
"Wetten, dass..?" doch vertraut vor), konnte das kein Scherz mehr
sein.

Der Fachdienst ist im Deutschen Wetterdienst rund um die Uhr unter
anderem maßgebend für die Koordinierung sämtlicher Telefonanrufe
verantwortlich und leistet den Meteorologen dadurch fachlich und
logistisch wertvolle Unterstützung - auch wenn die Technik hin und
wieder mal versagt. Daher werden sie im internen Sprachgebrauch auch
häufig als "Techniker" bezeichnet, was die Fragesteller im
humorvollen Gespräch mit dem Kollegen etwas irritierte. Nein, dessen
Aufgaben haben nichts mit denen eines Hausmeisters gemein, sondern
umfassen unter anderem die Erstellung und Überwachung von Vorhersage-
und Kundenprodukten. Gerade in Hamburg zudem die Gewährleistung der
Sicherheit der Seeschifffahrt nach dem DWD-Gesetz sowie nach
nationalen und internationalen Vorschriften eine wichtige Aufgabe. Da
der Kollege es nicht mit Sicherheit wusste, stellte er schließlich
zum diensthabenden Meteorologen durch.

Aber auch jetzt erfüllte sich nicht die Hoffnung der "Ehrlich
Brothers" eine unverbindliche Antwort auf dem Silbertablett serviert
zu bekommen. Kurz vor dem Abwürgen aufgrund des im Sendeformat
entstandenen Zeitdrucks kam aber noch die richtige
(Rekord-)Höchsttemperatur von 42,6 Grad in Lingen vom Kollegen, die
auch von den Zuschauern entsprechend gewürdigt wurde. Werte um -20
Grad als Tiefsttemperatur kann man schätzen. Da wir aber permanent
Medienvertretern Auskünfte geben, zählen keine persönlichen Annahmen,
sondern nur exakte Zahlen, die gut recherchiert sein wollen. Das war
auch das entsprechende Angebot des Hamburger Kollegen. Andernfalls
liest man am nächsten Tag unter Umständen seinen Namen in
Zusammenhang mit einem fehlerhaften Wert - keine schöne Erfahrung!
Und ganz ehrlich: Mindestens 95% aller Wetterbegeisterten in
Deutschland hätten insbesondere beim Tiefstwert von -22,4 Grad am 03.
Januar auf der Zugspitze Internetportale durchstöbern müssen. Die
richtige Antwort lautete somit 65 Grad (meteorologisch korrekt als
Temperaturdifferenz eigentlich Kelvin) und das Team
Schöneberger/Jauch war nur 1 Grad entfernt. Respekt! Die "Ehrlich
Brothers" einigten sich auf 61 Grad, was auch ziemlich nah dran war.


Falls Ihnen in Zukunft eine vergleichbare Frage zufällig über den Weg
laufen sollte, ist anbei noch eine Übersicht über die
Temperaturdifferenzen in den vergangenen 10 Jahren angefügt. Man weiß
ja nie, was passiert...

Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.09.2019

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