Thema des Tages

26-09-2019 09:20

Wenn der Wind in der Höhe schwächelt

Das Starkwindband (oder auch Jet-Stream) in der oberen Troposphäre
(ca. 8 bis 10 km Höhe) ist gewissen Schwankungen unterworfen. Warum
dieser durch externe Wärmeeinflüsse geschwächt wird und was das mit
den Niederschlägen bei uns zu tun hat, soll im Folgenden etwas
beleuchtet werden.


Der Jet-Stream in den mittleren Breiten auf der Nordhalbkugel (40 bis
60 Grad Nord) wird im Wesentlichen dadurch generiert, dass
Temperaturunterschiede zwischen dem warmen Süden (Stichwort
Azorenhoch) und dem kalten Norden (Stichwort Islandtief) bestehen,
und zwar vom Boden bis in die obere Troposphäre. Da sich diese
Gegensätze mit der Höhe verstärken, nimmt auch der Wind mit der Höhe
zu und kann Geschwindigkeiten von 250 bis 350 km/h (im Winterhalbjahr
auch noch deutlich mehr) erreichen. Daher kommt auch die deutsche
Bezeichnung Strahlstrom.

Dieses Starkwindband schwankt sowohl in der meridionalen Ausbreitung
(also von Nord nach Süd) als auch in der Stärke. Da im Winterhalbjahr
die Temperaturgegensätze zwischen Süden und Norden größer sind, ist
auch der Jet-Stream kräftiger ausgeprägt.
Wenn die Geschwindigkeiten im Starkwindband hoch sind, dann ist auch
die bei uns vorherrschende westliche Strömung überwiegend straff, und
in Mitteleuropa heißt das wechselhaftes Wetter mit häufigeren
Regenfällen. Wenn nun (wie in den letzten Jahren beobachtet) der
Jet-Stream vor allem im Sommerhalbjahr aufgrund fehlender oder nur
geringer Temperaturgegensätze (vor allem über den Meeresoberflächen
wegen wärmerer Arktis) schwächelt, beginnt er mehr und mehr zu
mäandrieren (ähnlich wie ein Wasserschlauch, dem das Wasser abgedreht
wird). Das bewirkt dann mitunter ein Abschwächen der westlichen
Strömung hier in Mitteleuropa. Besonders kritisch ist in dem
Zusammenhang der Fakt, dass sich dann vorwiegend meridionale
Strömungsmuster ausbilden, die den Zugang Mitteleuropas zu
atlantischen Luftmassen zumindest zeitweise blockieren können, mit
den bekannten Folgen (Trockenheit im Jahr 2018 und auch im Sommer
2019).

Es gibt aber noch andere Faktoren, die den Jet-Stream schwächen.
Allgemein gesagt sind es Wärmeflüsse verschiedener Herkunft, die
ähnlich wirken wie die oben genannte Faktoren, also die
Temperaturgegensätze insgesamt abschwächen.

Der erste Faktor ist die im Sommerhalbjahr stärker ausgeprägte
Konvektion (also Aufstieg von Luftteilchen durch Erwärmung am Boden
in obere Luftschichten). Dadurch gelangen potentiell wärmere
Luftmassen bis in die obere Troposphäre und führen somit zu einer
lokalen Schwächung des Jet-Streams. Hierzu zählen neben größeren
Gewitterkomplexen auch tropische Wirbelstürme, die aufgrund ihrer
Zugbahn in die gemäßigten Breiten vordringen und lokal einen starken
Wärmefluss weit nach Norden führen.

Ein zweiter Faktor sind warme Luftmassen aus dem Süden, die in der
Höhe durch die Hoch- und Tiefdruckgebiete selbst nach Norden
verfrachtet werden. Hierbei handelt es sich jedoch um den natürlichen
Wärmefluss von Süd nach Nord. Wenn allerdings längere Zeit
Blockierungen (z.B. durch nördlicher gelegene Hochdruckgebiete im
Atlantik) vorliegen, also vorwiegend meridionale Strömungsmuster,
dann kommt es mitunter zu längeren und stärkeren Wärmeflüssen als
normal üblich. Auf jeden Fall sorgen diese Warmluftvorstöße in der
Höhe auch für eine zumindest zeitweilige Schwächung des Jets.

Ein letzter Faktor sind zu hohe Meeresoberflächentemperaturen, wie
sie z.B. auf natürliche Art und Weise durch den Golfstrom verursacht
werden. Dann haben wir einen beständigen Wärmestrom vom Atlantik bis
in die obere Troposphäre (teils auch bis in die Stratosphäre), der
dem Jet Wärmeenergie zuführt und so für geringere
Temperaturgegensätze Nord-Süd sorgt. Hier sprechen wir von der so
genannten Kopplung von Ozean und Atmosphäre, die Gegenstand
intensiver Forschungen ist. Ebenso interessant ist in dem
Zusammenhang, ob die sich ständig weiter erwärmenden
Meeresoberflächen (bis in die Arktis hinauf) einen ähnlichen Effekt
bewirken.

Wenn dem so wäre, dann könnte man untersuchen, inwieweit diese
Kopplung zwischen Ozean und Atmosphäre auch für die erweiterte
Kurzfrist bzw. Mittelfrist in die numerischen Vorhersagemodelle
eingeht. Bisher tut sie das nur bei den Langfristvorhersagen. Aber
ein geschwächter Jet-Stream lässt auch die Tiefdruckgebiete
schwächeln, die es bis zu uns schaffen. Das heißt, wie in den letzten
Jahren beobachtet, tritt selbst bei Westwetterlagen weniger
Niederschlag auf als von den Modellen vorhergesagt.

Abschließend sei erwähnt, dass bei besserer mathematischer
Beschreibung dieser Einflüsse in den numerischen Modellen gerade die
Niederschlagsprognosen verbessert werden könnten. Dann würden wir uns
nicht mehr wundern, warum vom Atlantik vor allem im Sommerhalbjahr
mitunter weniger Niederschlag in Mitteleuropa ankommt.

Über neue wissenschaftliche Erkenntnisse diesbezüglich folgen Updates
zu diesem Beitrag.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.09.2019

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