Thema des Tages

01-10-2019 07:50

LORENZO - ein weiterer Hurrikan für die Geschichtsbücher!

LORENZO - der stärkste Hurrikan des zentralen tropischen Atlantiks
seit Messbeginn - wütet über dem Atlantik und bedroht nun eine
Inselgruppe.

Am frühen Morgen des 29. Septembers (vergangenen Sonntag) wurde über
dem tropischen Atlantik Geschichte geschrieben. Der Wirbelsturm
LORENZO intensivierte sich zu einem extrem starken Hurrikan der
höchsten, fünften Kategorie. Nie zuvor wurde ein Hurrikan der fünften
Kategorie so weit östlich über dem tropischen Atlantik beobachtet
(rund 1000 km östlicher als der bisherige Rekordhalter). Die
geschichtsträchtige Entwicklung von LORENZO ist Folge einer
Kombination sehr "günstiger" atmosphärischer und ozeanischer
Bedingungen, wie geringe Windscherung und sehr hohe
Meeresoberflächentemperaturen.

So weit draußen auf dem Atlantik möchte man aber meinen, er gefährde
kein bewohntes Gebiet. Das war bisher der Fall und wird über weite
Strecken seines Lebens auch so bleiben. Doch ein kleiner
Inselarchipel befindet sich leider in direkter "Schussrichtung" von
Hurrikan LORENZO. Auf seiner Zugbahn nach Nordosten nähert er sich
unaufhaltsam den Azoren, wo er voraussichtlich am morgigen Mittwoch
aufschlägt.

Die Azoren als Namensgeber für das im klimatologischen Mittel dort
anzutreffende großräumige Hochdruckgebiet gelangt selten ins
Fadenkreuz tropischer Wirbelstürme, schon gar nicht solch starker.
Doch die außergewöhnliche Geschichte von LORENZO macht es möglich. In
den vergangenen 50 Jahren erfassten lediglich 20 tropische Stürme die
Azoren, davon waren gerade einmal 4 Hurrikane der ersten Kategorie.
Die Inseln werden also rein statistisch betrachtet nur alle 12 Jahre
von einem Hurrikan erwischt. Der stärkste Hurrikan, der die Azoren
direkt traf, war "Hurrikan 8" des Jahres 1926, ein Kategorie-2-Sturm
mit mittleren Windgeschwindigkeiten von knapp 170 km/h.

Bisher richtete keiner der Wirbelstürme der vergangenen 50 Jahre
größeren strukturellen Schaden an. Das könnte sich mit LORENZO
ändern. Zwar schwächte er sich im Hinblick auf die
Windgeschwindigkeiten bereits deutlich ab, wodurch er zurzeit "nur"
noch als Kategorie-2-Hurrikan eingestuft wird. Allerdings gewinnt er
immer mehr an Größe. Die enormen Ausmaße und die Langlebigkeit machen
LORENZO zu einem gewaltigen Wellengenerator. Vor allem an der
Südwestflanke des Sturms schaukeln sich die Wellen bis zu einer Höhe
von 5 bis 10 Metern auf, räumlich eng begrenzt unmittelbar
südwestlich des Kerns bis zu einer Höhe von 15 Metern - eine riesige
Gefahr für die Schifffahrt. LORENZO wird am Mittwoch wahrscheinlich
mit Kern nahe an den azorischen Inseln Flores und Corvo vorbeiziehen.
Aufgrund der Ausmaße werden aber nicht nur die nordwestliche
Inselgruppe, sondern auch der zentrale Teil des Archipels die Wucht
des Sturms zu spüren bekommen. Der hohe Wellengang bringt dort an den
Küsten lebensgefährliche Strömungen, sog. "Brandungsrückströme" mit
sich, der Wellenschlag könnte zu großen Erosionsschäden und
Überflutungen führen. Zudem muss mit Orkanböen zwischen 120 und 150
km/h, nahe des Sturmzentrums vereinzelt auch mit extremen Böen bis
180 km/h gerechnet werden, die ebenfalls hohes Schadenspotenzial
entfalten. Auf den teilweise hohe Bergen (höchster Berg ist Ponta do
Pico mit über 2300 Meter ü.NN.) sind Böen jenseits der 200 km/h
wahrscheinlich.

Und dann? Droht uns in Europa ein Hurrikan, wie es bereits in einigen
Boulevard-Medien zu lesen und hören war? Nein! Fakt ist, LORENZO
zieht weiter nach Nordosten und nähert sich Westeuropa. Doch zum
einen trifft er, bevor er irgendein Land bedroht, auf die Polarfront
(siehe Wetterlexikon) und wandelt sich dabei in ein außertropisches
Tief um. Dabei verliert er die Eigenschaften eines Hurrikans. Zum
anderen ist noch unklar, wohin sich das aus dem Hurrikan
hervorgehende Sturmtief danach verlagert. Möglicherweise dreht er vor
den Küsten Irlands noch nach Norden ab und bleibt damit ein
"Fischsturm". Es kann aber auch sein, dass Ex-LORENZO auf Irland oder
Schottland trifft, allerdings unter Abschwächung, sodass die
Auswirkungen nicht mehr mit denen eines ausgewachsenen Hurrikans
vergleichbar wären. Dennoch besteht für Irland und Schottland
Donnerstag und Freitag ein erhöhtes Sturmpotenzial!

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.10.2019

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