Thema des Tages

12-10-2019 08:20

Webcams als wertvolle Hilfsmittel in der Wetterüberwachung

Webcambilder erfreuen sich stetig steigender Beliebtheit. Eine
besonders interessierte Zielgruppe sind zum Beispiel Touristen, die
ihren Urlaubsort schon vom heimischen Sofa aus "live" betrachten.
Natürlich machen sich aber auch die Meteorologen diese Technik zu
nutze.

Zu den vielfältigen Aufgaben einer Meteorologin/eines Meteorologen im
operationellen Dienst zählen zum einen die Wettervorhersage, zum
anderen die Überwachung des aktuellen Wettergeschehens
("Monitoring"). Bis 12 Stunden in die Zukunft (und somit in der
sogenannten "Kürzestfrist") überlagern sich diese beiden
Arbeitsgebiete naturgemäß. Den Kürzestfristzeitraum macht aber auch
aus, dass zur Analyse des aktuellen Wetterzustands sowie zur
Vorhersage eine Vielzahl von Eingangsdaten und Methoden verwendet
werden.

Zunächst sind natürlich die über das Beobachtungsgebiet mit variabler
Dichte verstreuten Wetterstationen zu nennen. Die umfangreiche
Palette der damit erhobenen "Bodendaten" reicht zum Beispiel von der
Temperatur über die Windgeschwindigkeit bis hin zum Sonnenschein.
Darüber hinaus sind hochaktuelle Radar- sowie Satellitenbilder aus
dem heutigen Wetteralltag nicht mehr wegzudenken. Im heutigen Thema
des Tages soll es aber nicht um diese Methoden gehen (bei näherem
Interesse daran hilft die Suchfunktion bei den Themen des Tages),
sondern um den Nutzen von Webcams in der Wetterüberwachung.

In den letzten Jahren hat die Verbreitung von Webcams sehr stark
zugenommen. Während zur Jahrtausendwende viel Geld in eine - unter
heutigen Maßstäben - nur semioptimale Webcam investiert werden
musste, können sich heute viele Interessierte eine solche leisten.
Mit relativ wenig Geld ist die Erzeugung von hochfrequenten und mit
guter Auflösung versehenen Bildern möglich. Neben diesen finanziellen
Gründen unterstützt aber auch das besser werdende Datennetz den
vielfältigen Einsatz von Webcams. Mitunter können damit auch
infrastrukturferne Regionen (z.B. Gebirge) sehr gut erfasst werden.

Dieser Trend ist natürlich auch bei uns Meteorologen nicht unbemerkt
geblieben, denn die von den Webcams gelieferten Bilder können auch
hervorragend zur Wetterüberwachung genutzt werden. Während
Wetterstationen, Radar- und Satellitenbilder "harte" Fakten liefern
(z.B. Mess- oder Pixelwerte), stellen Webcambilder als Ergänzung
einen "weichen" visuellen Eindruck der jeweiligen Wettersituation vor
Ort zur Verfügung. Diese "harten" und "weichen" Parameter können dann
im Idealfall miteinander abgeglichen werden.

Außerdem macht es im Unterbewusstsein durchaus einen Unterschied, ob
man die Wetterlage "von der Ferne" betrachtet, oder eben mittendrin
ist. Stellen Sie sich zum Beispiel eine kräftige Gewitterzelle vor:
diese zeigt sich im Radarbild nur als abstrakter, farbiger Klecks.
Steckt man aber mit Hilfe der Webcam quasi "mittendrin" und erlebt
den Starkregen, die Böenfront oder den Hagel "live", ist es doch
nochmal ein anderes Erlebnis. Selbstverständlich sind Meteorologen
auf den Umgang mit harte Fakten trainiert, es schadet aber nicht,
auch mal andere Sinne anzusprechen.

Ähnliche Prinzipien gelten auch bei der Bewölkungsanalyse: Ein
Satellitenbild zeigt zwar sehr schön die Ausprägung und Art der
Wolken, jedoch ist das immer eine Draufsicht. Webcams liefern
ergänzend auch Informationen über z.B. Wolkenober- und untergrenzen,
die besonders bei der Fliegerei im Gebirge eine wichtige Stellung
haben. Besonders eindrucksvoll sind auch jene Webcambilder, die dank
längerer Belichtungszeit während der Nachtstunden visuelle Eindrücke
liefern können. Bei manchen ist z.B. die Entstehung und Entwicklung
von Nebelfeldern mitzuverfolgen.

Im Winter kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: die
Schnee(fall)grenze. Wenn es die Sichtverhältnisse zulassen, kann
diese ebenfalls über Webcams bestimmt werden. Hat man mehr Zeit zur
Analyse, kann durchaus ein guter, umfassender räumlicher Eindruck der
Verhältnisse entstehen. Ganz besonders im Fokus sind in der kalten
Jahreszeit auch die Straßenwebcams, die eine mögliche Schneebedeckung
der Fahrbahn zeigen. Dadurch kann zum einen eine Vorhersage
bestätigt, zum anderen aber auch Anpassungsbedarf angezeigt werden.

Ein weiterer Vorteil ist außerdem, dass mittlerweile viele
Webcambetreiber umfangreiche Archive eingerichtet haben. Mit diesen
ist die Rückschau und Analyse von Wetterlagen für z.B. Schulungen und
Vorträge noch mit visuellem Material unterlegbar. Die hier
aufgezählten Punkte sind natürlich keinesfalls vollständig, sondern
sollen nur aufzeigen, welchen großen Nutzen scheinbar einfache
Methoden haben können.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.10.2019

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