Thema des Tages

29-10-2019 10:20

Typisch Herbst oder doch schon Winter?

Zäher Nebel und leichte Nachfröste, dazu eine Schneefallgrenze bis
1000 Meter, reicht dies schon um von Winter zu sprechen? Oder sind es
nicht vielmehr typische herbstliche Phänomene? Wie gehen dieser Frage
auf den Grund und geben gleich mal einen mittelfristige Ausblick.

In der Medienwelt fallen derzeit gehäuft Begriffe wie erster
Wintereinbruch oder winterliche Kälte. Doch dies ist irreführend!
Sowohl kalendarisch als auch klimatisch ist der Winter ja noch etwas
entfernt.
Der astronomische Winterbeginn ist am 22. Dezember und die
Meteorologen drehen am 1. Dezember an der Jahreszeitenuhr. Und bei
Betrachtung der typischen Wettererscheinungen und des
Temperaturniveaus sind ebenfalls signifikante Unterschiede zwischen
Herbst und Winter zu verzeichnen. Die Wintermitteltemperatur über
alle Stationen in Deutschland liegt etwa um 0,1 Grad, die des
Herbstes bei Werten um 8,7 Grad. In die Berechnung werden dabei die
mittleren Tagestemperaturen (Nacht und Tag) über die drei Winter-
bzw. Herbstmonate gemittelt. Nun kann man sich überlegen, ob
derzeitige Höchsttemperaturen zwischen 5 und 12 Grad und nächtliche
Abkühlungen auf Werte zwischen 6 und -5 Grad eher dem Herbst oder dem
Winter entsprechen. Erste Fröste und Schnee bis auf Höhenlagen von
1000 Meter sind im Herbst ganz normal und entsprechen nicht wirklich
typischen winterlichen Verhältnissen. Die Härte eines Winters wird in
der Klimatologie u.a. anhand der Anzahl der Eistage ermittelt (das
Maximum der Lufttemperatur liegt unterhalb des Gefrierpunktes (unter
0 Grad Celsius)). Auch diese Definition greift derzeit noch ins
Leere. Auch bei der phänologischen Jahreszeit befinden wir uns noch
im Herbst. Typisch für den Vollherbst sind die Früchte der
Stieleiche, für den Spätherbst die Blattfärbung dieser. Wird nun die
herbstliche Blattfärbung genauer betrachtet, so kann festgehalten
werden, dass Ende Oktober der Vollherbst verbreitet in den Spätherbst
übergegangen ist und dies in diesem Jahr sogar etwas verspätet. Der
phänologische Winter würde einbrechen, wenn die Stileiche oder der
spätreifende Apfel die Blätter verliert.
Auch bei Betrachtung des derzeitigen Wetters fehlt vom Winter jede
Spur. Aktuell dominiert noch Hoch "Oldenburgia" mit Zentrum über
Schottland das Wetter in weiten Teilen Deutschlands. Lediglich im
Süden des Landes sorgen schleifende Frontensysteme und eine
Windströmung gegen die Alpen für aufsteigende Luft und somit für
Niederschlagsbildung, sodass es dort zunächst noch regnerisch ist.
Ansonsten herrscht typisch herbstliches Hochdruckwetter mit teils
sonnigen, teils neblig trüben Verhältnissen und milden Tagen (7 bis
11 Grad ist für November als mild einzustufen!) und teils frostigen
Nächten vor. Dies bleibt auch erst mal bis einschließlich Donnerstag
so. Erst ab Freitag können Tiefdruckgebiete von Westen dem Hoch
soweit zusetzen, dass dieses allmählich nach Osten weiterzieht.
Deutschland gelangt dann auf die Vorderseite eines kräftigen
Tiefdruckwirbels über dem Ostatlantik und Westeuropa in eine
südwestliche bis südliche Strömung. Spätestens dann sollten bei
Zustrom subtropischer Luft und Höchstwerten zwischen 9 und 18 Grad
alle Gedanken und Begriffe an den Winter doch schleunigst in die
Schublade gelegt werden. Durch die Wolken am Himmel kühlen auch die
Nächte nicht mehr aus, sodass die Tiefstwerte zwischen 11 und 2 Grad
liegen sollten. Für November wären Temperaturen um bzw. über 17 Grad
aus klimatischer Sicht als ungewöhnlich mild zu bezeichnen.
Allerdings kommen die milden bis sehr milden Temperaturen nicht mit
Sonnenschein daher. Stattdessen hängen dicke Regenwolken am Himmel
und sorgen regional sogar für nennenswerte Regenmengen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass zunächst typisches
herbstliches Hochdruckwetter mit viel Nebel und leichten Nachtfrösten
wetterbestimmend ist, bevor ab Donnerstag sehr milde aber auch
feuchte Subtropikluft das Land flutet. Einen winterlichen Gruß gibt
es damit auch mittelfristig nicht.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübe
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.10.2019

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