Thema des Tages

07-11-2019 08:50

Erneuerbare Energie aus Kälte des Weltraums


Wissenschaftler haben ein überraschend simples Gerät vorgestellt, das
bei Nacht durch sog. "Strahlungskühlung" Strom erzeugen kann ? wenn
auch nur in geringen Mengen. Es könnte z.B. in Gegenden eingesetzt
werden, in denen Stromanschlüsse Mangelware sind.


Fossile Brennstoffe wie Kohle oder Erdöl gehen langsam aber sicher zu
Neige. Nicht nur deshalb wird die Bedeutung erneuerbarer
Energiequellen immer präsenter. Sonnen- und Windenergie, Erdwärme,
Wasserkraft oder Biomasse sind klimafreundlich und nahezu unbegrenzt
vorhanden ? dennoch gibt es einen wesentlichen Nachteil: Die
gewonnene elektrische Energie wird nicht immer zu dem Zeitpunkt
benötigt, in dem sie entsteht. Umgekehrt steht sie nicht zuverlässig
dann zur Verfügung, wenn sie gebraucht wird.

Photovoltaikanlagen liefern z.B. nur tagsüber Strom, wenn die Sonne
scheint. Genau dann brauchen die Menschen jedoch wenig Strom für
Heizung und Beleuchtung. Es gibt zwar Möglichkeiten, die Energie zu
speichern, diese sind jedoch sehr kostenintensiv und teilweise auch
noch nicht vollständig ausgereift. "Könnte man nicht trotzdem
irgendwie auch nachts Strom erzeugen, wenn die Solarzellen nicht
funktionieren?" ? drängt sich da dem einen oder der anderen technisch
Interessierten als Frage auf; und auch Wissenschaftler der
Universitäten California und Stanford trieb diese Idee um. Nun
zeigten sie, dass es geht und präsentierten vor wenigen Wochen ihre
innovative Methode.

Das Prinzip dabei ist ziemlich einfach und beruht auf der sog.
?Strahlungskühlung? des Himmels, die vermutlich jedem Autofahrer
bekannt ist: Wenn das Auto nachts unter freiem Himmel steht, kann
sich manchmal Eis auf der Windschutzscheibe bilden ? auch wenn die
Lufttemperatur über dem Gefrierpunkt liegt. Der Grund liegt im
Temperaturunterschied zwischen Windschutzscheibe und
Umgebungstemperatur, der in klaren Nächten besonders hoch ist: Die
Windschutzscheibe ist die "warme Seite" und gibt einen Teil seiner
Wärme über Strahlung in den Weltraum (die "kalte Seite") ab. Dadurch
sinkt die Temperatur der Scheibe unter 0°C und die Luftfeuchtigkeit
friert an der Oberfläche.

Die Forscher um Aaswath Raman von der University of California in Los
Angeles haben nun einen Aufbau entwickelt, der nach genau diesem
Prinzip funktioniert: Das Kernstück des Stromerzeugers ist ein
handelsüblicher thermoelektrischer Generator, ein sogenanntes
Peltier-Element. Es erzeugt eine elektrische Spannung, wenn die eine
Seite wärmer ist als die andere. (Kurzer Exkurs: Bislang hätten
Entwickler meist versucht, diese Temperaturdifferenz mit Hilfe einer
Wärmequelle zu erzeugen, so die Forscher. Beispielsweise wird bei
einigen Systemen die sonst ungenutzte Abwärme eines Ofens dazu
eingesetzt, ein wenig Strom zu generieren.) Raman und Kollegen kamen
nun jedoch auf die Idee, eine "Kältequelle" einzusetzen. Ihr Gerät
trägt an der Oberseite eine mit schwarzer Farbe bestrichene
Aluminiumplatte (siehe Abbildung), die sich im Verlauf der Nacht
immer weiter unter die Umgebungstemperatur abkühlt, weil ein Teil der
Eigenwärme als Infrarotstrahlung ins All abgegeben wird. Die
Unterseite des Geräts hingegen ist mit Aluminiumrippen versehen, die
die Umgebungswärme aufnehmen. Dadurch entsteht ein Temperaturgefälle
im Innern des Generators.


Durchgeführt wurden die Tests auf einem Hausdach der Stanford
University letzten Dezember. Dabei erzeugte ihr schuhkartongroßes
Testobjekt eine Leistung von
bis zu 25 mW/m2 ? wahrlich nicht viel, aber genug, um eine einzelne
LED zum Leuchten zu bringen. Die Forscher sind sich jedoch sicher,
dass die Technologie mit besseren Komponenten eine etwa 20-fach
höhere Leistung liefern könnte - vor allem in heißen, trockenen
Klimazonen, in denen die Strahlungskühlung am stärksten ist. Damit
könnte ein kleiner Aufbau auf dem Dach eines Hauses über Nacht genug
Strom liefern, um ein Smartphone aufzuladen oder einen Raum mit
LED-Lampen zu beleuchten.

Das Interessante dabei ist vor allem auch das einfache System, das
nur aus handelsüblichen Teilen besteht, die alle zusammen weniger als
30 US-Dollar kosten (- was vermutlich manch versierten Tüftler zum
Nachbasteln anregt).
Der Ansatz könnte in eine kostengünstige Technologie überführt
werden, die schließlich von mehr als einer Milliarde Menschen auf der
ganzen Welt genutzt werden könnte, die laut der Internationalen
Energieagentur keinen zuverlässigen Zugang zu Strom haben. Auch wenn
die Leistungsabgabe immer deutlich niedriger sein wird als bei
Solargeräten, kann das Konzept als eigenständige Technologie genutzt
werden oder in Kombination mit Solarenergie zur Stromerzeugung bei
Tag und Nacht eingesetzt werden.


Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.11.2019

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