Thema des Tages

09-11-2019 10:50

Ein ganz normaler Samstag


Viele Menschen reagieren erstaunt, wenn sie hören, dass man als
Meteorologe/-in im Schichtdienst tätig ist. "Wie, du arbeitest auch
nachts? Und auch am Wochenende? Was macht ihr denn dann da?"


Für alle, die schon immer mal wissen wollten, was wir (außer dem
Verfassen vom Thema des Tages) den lieben langen Tag so treiben, gibt
es heute einen typischen Tagesablauf einer unserer Dienste, der
sogenannten "Medienschicht" (und um eins vorwegzunehmen: diese ist
zwar nicht rund um die Uhr besetzt, wohl aber an Wochenend- und
Feiertagen).

Spätestens um 7 Uhr ist Dienstbeginn. Damit ist man aber nicht der
erste im Büro, vier weitere Meteorologen + zwei Fachdienste tippen
bereits seit einer Stunde (mehr oder weniger) munter in die Tasten.
Jeder davon hat andere Aufgaben: Einer kümmert sich um die
Warnguidance (eine Art Rahmenvorgabe für die Außenstellen, s.u.),
einer um weltweites Wetter, wieder ein anderer um die mittelfristigen
Vorhersagen (Tage 4-10) und einer ist "Chef" der ganzen Meute und
hält die Fäden in der Hand. (Später kommen übrigens noch zwei weitere
Dienste hinzu.)

Aber zurück zum Mediendienst, für den es nun gilt, keine Zeit zu
verlieren: Rechner und Programme starten, die müden Augen über 10
Bildschirme gleiten lassen und sich so einen Überblick über die
Wetterlage verschaffen. Getrödelt werden darf dabei nicht, denn um
7:30 Uhr muss der erste Bericht fürs Deutschlandradio raus mit einer
kurzen Wettervorhersage für den aktuellen Tag.

Nach diesem morgendlichen Sprint wird sich weiter in die Wetterlage
eingearbeitet und ein Wetterbericht für ganz Deutschland für die
nächsten 3 Tage erstellt (zu lesen unter
https://www.dwd.de/DE/wetter/vorhersage_aktuell/vhs_brd_node.html).
Wer hier einen blumigen, kreativen Text erhofft, wird vermutlich
enttäuscht: Die Wetterbeschreibung erfolgt recht nüchtern und
sachlich, die Abfolge ist klar definiert mit Angaben zu Bewölkung,
Niederschlag, Temperaturen und Wind.

Ist das geschafft, wollen die sozialen Netzwerke bedient werden.
Vielleicht zeigt ja die DWD-Webcam auf der Zugspitze oder am
Hamburger Hafen einen schönen Sonnenaufgang, der auf Facebook und
Twitter gepostet werden kann? Immer wieder auffällig: Schöne Fotos
oder einfache Grafiken bekommen deutlich mehr "Likes" als Erklärungen
in Textform oder Infos zu Unwettern außerhalb der Landesgrenzen?

Wer um 8:30 Uhr immer noch nicht richtig wach ist, der bekommt durch
das Klingeln des Telefons nochmal eine Chance; die morgendliche
Telefonkonferenz zwischen dem Supervisor (dem oben erwähnten "Chef")
und den DWD-Außenstellen in Hamburg, Potsdam, Leipzig, Essen,
Stuttgart und München ruft. Während man sich als Medienmeteorologe
sonst manchmal den Mund am Telefon fusselig redet, kann man sich bei
der Konferenz für rund 15-30 Minuten als stiller Teilnehmer
zurücklehnen und zuhören, welche Vorhersage- und Warnstrategie
geplant ist. Es gilt, ein einheitliches Konzept zu entwickeln,
schließlich kennt das Wetter keine Bundesländergrenzen.

Nächster Programmpunkt: "Thema des Tages". Dabei kann man sich
entweder über das aktuelle Wetter hierzulande (oder in Timbuktu)
auslassen - oder ein wissenschaftliches Phänomen oder Thema
allgemeinverständlich aufbereiten (zugegebenermaßen passt das heutige
Thema in keine der beiden Kategorien?). Wer treuer Leser unseres
Tagesthemas ist, kann sich vielleicht vorstellen, dass insbesondere
die wissenschaftlichen Themen durchaus auch längere Recherche- und
Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen.

Die Tastatur ist mittlerweile schon warm und wird noch weiter zum
Glühen gebracht, denn es steht nun der "Pressetext" an, der an die
Deutsche Presseagentur (dpa) geht und von diversen Medien
aufgegriffen wird. Hier kann der Medienmeteorologe seine kreative
Schreibader voll ausleben, geht es in diesem Bericht doch um die
Wetterentwicklung der nächsten Tage in einer bildlichen Sprache, die
auch "Lieschen Müller von der Tankstelle" (wie unsere ehemalige
Chefin zu sagen pflegte) versteht. Aus "es fällt Niederschlag mit
mäßiger bis starker Intensität" wird dann "es schüttet wie aus
Kübeln" oder "packen Sie den Regenschirm ein". Wer auch in den Genuss
dieser literarischen Künste kommen möchte, kann den Pressetext
kostenlos unter
https://www.dwd.de/DE/service/newsletter/newsletter_node.html
abonnieren.

Mit dem Versenden des Pressetextes um 11.30 Uhr macht sich spätestens
jetzt ein kleines (oder auch größeres) Hüngerchen bemerkbar. Da die
Kantine am Wochenende geschlossen ist, bleibt nur ein Besuch beim
Revisionsverband der Westkaufgenossenschaften (auch bekannt als
REWE), ein Anruf beim Pizzalieferdienst oder (für die ganz
Wagemutigen) ein Gang nach Offenbach City.

Welche Wahl auch immer getroffen wurde, Völlerei sollte besser nicht
betrieben werden - wenn man nicht unbedingt einen kugelrunden Bauch
in die Kamera strecken möchte ;-) Der Videoclip wird täglich vom
Medienmeteorologen mit Hilfe des Fachdienstes produziert. Bei ruhigen
Wetterlagen dient er vor allem Übungszwecken, nur im Unwetterfall
geht er raus in die weite (Internet)welt, zu Facebook, Twitter,
YouTube und in die Warnwetter-App. Ganz auf die leichte Schulter
sollten aber auch die Übungsclips nicht genommen werden, werden sie
doch im Intranet des Verkehrsministeriums veröffentlicht -
theoretisch könnte Herr Scheuer also sehen, wenn die morgendliche
Kleiderwahl auf das Mickey Mouse T-Shirt fiel.

Das restliche Nachmittagsprogramm ist in der Regel entspannter. Dann
heißt es den Vorhersagetext anzupassen, weitere Facebook- und
Twitterposts zu schreiben und Kunden-Emails zu beantworten. Letztere
gehen häufig um fotografierte Wetterphänomene, Wetteranfragen zum
Hochzeitstag nächsten Sommer oder Beschwerden, dass das vorhergesagte
Wetter nicht eingetroffen ist. Aber es sind für uns auch immer wieder
spannende Fragen dabei, die mitunter auch im Kollegenkreis diskutiert
werden.

Bisher noch gar nicht erwähnt, aber durchaus charakteristisch für den
Mediendienst sind die Telefonate, die je nach Wetterlage (und
politischen bzw. gesellschaftsrelevanten Neuigkeiten) in
unterschiedlicher Anzahl vorkommen. Zeitungen, Radiosender und lokale
Medien möchten wissen, wie das Wetter zum Sonntagsausflug wird, ob
die Kälte aus den USA auch nach Deutschland kommt oder ob das heiße
Wochenende schon der Klimawandel ist.

Und wenn es dann um 17:30 Uhr heißt "Feierabend!", ist der
morgendliche Widerwille, das warme Bett gegen einen ledernen
Bürostuhl einzutauschen (besonders wenn der Besuch der Stammkneipe am
Vorabend doch länger ging als geplant) längst vergessen - und es
bleibt vielmehr das Gefühl, einen abwechslungsreichen und
vielseitigen Dienst in tollem Kollegenkreis vollendet zu haben.

Würden Sie unsere Arbeitsplätze gerne live sehen? Dann kommen Sie
doch mal vorbei, am 16.05.2020 ist Tag der offenen Tür!


Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.11.2019

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