Thema des Tages

10-11-2019 11:20

Die Verwendung von Radiosondenaufstiegen in der Meteorologie

Radiosondenaufstiege gibt es an bestimmten Stationen zu festen Zeiten
auf der ganzen Welt verteilt. Wie nützlich diese für den Meteorologen
sind, soll im folgenden Beitrag kurz dargestellt werden.

Unter einem Radiosondenaufstieg versteht man die Gewinnung von
Messwerten durch eine Sonde, die mit Radiosignalen Messdaten
übermitteln kann. Diese wird durch einen gasgefüllten Ballon (mit
Helium, das leichter ist als Luft) zum Aufsteigen gebracht. Der
Wetterballon steigt somit in den Himmel auf und die Radiosonde trägt
mit einem Sender versehen diverse Messeinrichtungen mit sich. Der
Wetterballon erreicht im Durchschnitt Höhen von rund 35 Kilometer.
Durch den sinkenden Luftdruck in der Höhe dehnt sich der Ballon immer
mehr aus und platzt irgendwann. Durch einen kleinen Fallschirm sinkt
die Radiosonde anschließend wieder zurück zum Boden.

Mit einem Radiosondenaufstieg bekommen wir genaue Informationen über
die verschiedenen Luftschichten in der Atmosphäre. Folgende Messwerte
werden mit der Radiosonde erfasst:

Luftdruck;

Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur, daraus abgeleitet den Taupunkt
(die Temperatur, bei der 100% relative Luftfeuchtigkeit vorherrscht
und die Luft kondensiert, sich also winzige Wassertröpfchen bilden);

sowie indirekt durch den Windversatz oder auch Winddrift genannt die
Windrichtung und ungefähre Windgeschwindigkeit in verschiedenen
Höhen.

Radiosondenaufstiege erfolgen weltweit an zahlreichen Orten und zu
immer ganz bestimmten Uhrzeiten. Meist zu den Terminen 12 und 00 UTC,
an manchen Stationen auch zusätzlich um 06 und 18 UTC (koordinierte
Weltzeit oder auch Greenwich Zeit). Das wäre bei uns zur
mitteleuropäischen Zeit (Winterzeit) jeweils eine Stunde später. In
Deutschland erfolgen regelmäßige Aufstiege z.B. auf Norderney und in
Lindenberg, Essen und München.

Die gesammelten Messwerte werden durch die Radiosonde gesendet und
per Computer ausgewertet. Aus den Messwerten werden Diagramme (Temps
oder Soundings genannt) erstellt, welche den Zustand der Atmosphäre
um die jeweilige Station herum charakterisiert.

Wozu benötigt der Meteorologe im operationellen Dienst diese
Messwerte?

Die ermittelten Messwerte fließen einerseits in die Berechnung von
numerischen Wettermodellen ein und liefern wichtige Informationen
über den Ausgangszustand der Atmosphäre. Zusätzlich können wir
Meteorologen sie punktuell z.B. für die Kürzestfristvorhersage (rund
1 bis 6 Stunden) nutzen.
So lässt sich zum Beispiel erkennen, in welchen Höhen sich Wolken
oder auch Nebel befinden, aber auch, ob es im Winter in der Höhe eine
Schicht mit Temperaturumkehr und positiven Temperaturen (Inversion
genannt) gibt, die bei Niederschlag und Frost am Boden mitunter für
Glatteisregen sorgen kann. Ebenso lässt sich mit Hilfe der Diagramme
relativ schnell sagen, ob Schnee oder Regen am Boden zu erwarten ist
bzw. wie hoch die Schneefallgrenze liegt.
In den Sommermonaten rückt die Kürzestfrist-Gewittervorhersage in den
Fokus. Mit den Temps lässt sich erkennen, ob die vertikale Schichtung
labil ist (starke Temperaturabnahme mit der Höhe), genug Feuchtigkeit
vor allem in den unteren Schichten verfügbar ist und damit Gewitter
überhaupt erst entstehen können. Auch die Art bzw. Langlebigkeit und
Schwere der zu erwartenden Gewitter (einschließlich deren
Begleiterscheinungen) können aufgrund der Zunahme der
Windgeschwindigkeit und Änderung der Windrichtung mit der Höhe
zumindest abgeschätzt werden.

Das folgende Diagramm zeigt die Ergebnisse des Radiosondenaufstieges
vom 09.11.2019 (00 UTC/01 Uhr MEZ). Auf der x-Achse finden Sie die
Temperatur, auf der y-Achse ist die Höhe in Hektopascal dargestellt.
Der Luftdruck nimmt bekanntermaßen mit der Höhe ab und für
Meteorologen ist es wichtig zu wissen, auf welchem Druckniveau (z. B.
850 hPa (~1500m) oder 500 hPa (~5500m)) welche Temperatur herrscht.
Rechts ist zudem mit Windfiedern die Windrichtung und
-geschwindigkeit dargestellt. Die durchgezeichnete Linie ist der
Verlauf der Temperatur, die gestrichelte Linie zeigt den Taupunkt als
Feuchtemaß an.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Soundings wichtige
(Zusatz)informationen über den momentanen Zustand und insbesondere
die vertikale Schichtung der Atmosphäre liefern. Damit geben sie uns
Meteorologen wichtige Hinweise auf zu erwartende Wettererscheinungen
und deuten auch eventuelle Abweichungen zu den vorliegenden
numerischen Wettermodellen an. Allerdings sind es wie gesagt
punktuelle Bestandsaufnahmen. Man bekommt also lediglich einen
kleinen Einblick in den dreidimensionalen Zustand der Atmosphäre zu
einem bestimmten Zeitpunkt.

Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.11.2019

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