Thema des Tages

14-11-2019 09:20

Im Süden und Südosten Deutschlands fiel der erste nennenswerte Schnee
der demnächst beginnenden Wintersaison. Und das Thema des Tages
beschäftigt sich heute mit dem ersten Schneefotografen Johann
Heinrich Ludwig Flögel.

Johann Heinrich Ludwig Flögel

Im Süden und Südosten Deutschlands sind die ersten größeren
Schneemengen der demnächst beginnenden Wintersaison gefallen. Die
DWD-Stationen meldeten heute früh (14.11.) auf dem Feldberg im
Schwarzwald 15 cm und auf dem Großen Arber 17 cm. Auf den
Alpengipfeln war es noch deutlich mehr. So türmen sich die Flocken
auf dem Wendelstein 42 cm hoch auf, auf der Zugspitze sind es sogar
90 cm - sehr zur Freude aller Wintersportbegeisterten.

Der Begriff Flocke leitet sich dabei übrigens vom Lateinischen ab.
Dort steht flocculus für kleines Büschel Wolle, so sagt es zumindest
das Online-Lexikon "Wikipedia".

Dass diese Bezeichnung ganz gut zu dem passt, was im Winter (und
nicht nur im Winter) immer wieder vom Himmel fällt, wusste man schon
früh. Schließlich lässt sich die Struktur der Schneeflocken auch mit
bloßem Auge erkennen. Recht alt ist auch die Bezeichnung Schneestern,
die z.B. schon im Kinderlied ?Schneeflöckchen, Weißröckchen? von 1896
auftaucht, in dem sich der ?liebliche Stern? ans Fenster setzen soll.


Das reine Beobachten kann durchaus Teil des wissenschaftlichen
Arbeitens sein. Bei der Beobachtung von Schneeflocken gibt es aber
schwierige Rahmenbedingungen. Denn entweder beginnen die filigranen
Kristalle in warmer Umgebung rasch zu schmelzen, oder man beobachtet
an einem kalten und somit recht ungemütlichen Ort.

Diese Schwierigkeiten waren auch den Schneeforschern des 19.
Jahrhunderts ein Dorn - oder besser gesagt eine Eisnadel - im Auge.
Kein Wunder, dass es nach der Erfindung der Fotografie in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht lange dauerte, bis auch der Wunsch
aufkam, Schneeflocken fotografisch festzuhalten.

Als erstem gelang eine solche Fotografie dem Universalgelehrten
Johann Heinrich Ludwig Flögel (geb. 10.06.1834 in Glückstadt, gest.
25.01.1918 in Ahrensburg). Der Jurist war auch naturwissenschaftlich
interessiert und erhielt 1875 von der Kieler Universität die
Ehrendoktorwürde für seine naturwissenschaftlichen Leistungen. Dabei
war er auf diesem Gebiet insbesondere in der mikroskopischen
Untersuchung und anschließenden Präparation von Insekten aktiv, wobei
sein Hauptinteresse Blattläusen galt.

Vielleicht war es ja die Kalamität des winterlichen Mangels an
lebenden Untersuchungsobjekten, die ihn zu den Schneekristallen
trieb. Auf jeden Fall entstand das erste Flockenfoto am 01.02.1879.
Flögel hatte den Ruf, präzise und akkurat zu arbeiten, und so sind
seine Fotos von Schneekristallen auch immer mit Aufzeichnungen zur
entsprechenden Wettersituation versehen (Ein Bild des Forschers und
eine seiner Aufnahmen finden Sie unter
https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/11/14.html).

Auf den "Thron" des ersten Schneefotografen schaffte es der
Norddeutsche dabei erst recht spät. Lange Zeit dachte man nämlich,
dem Amerikaner Wilson Bentley sei am 15.01.1885 als erstem ein
Schnee-Schnappschuss gelungen. Den regelmäßigen Lesern sind Bentley
und sein Buch "Snow Crystals" hier im Thema des Tages am 29.11.2017
schon einmal begegnet
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/11/29.html). Dass
es so lange gedauert hat, bis sich Flögel im Wettlauf um die ersten
Schneeflockenfotos durchsetzen konnte, liegt daran, dass seine
Aufzeichnungen lange Zeit vergessen in einem Keller in
Norddeutschland schlummerten. Mit deren Fund hat man auch deswegen
nicht gerechnet, weil ein Großteil seiner wissenschaftlichen Arbeiten
während des zweiten Weltkriegs verbrannte.

Ob Flögel auch heute noch Schnee unter die Lupe nehmen würde? Wir
wissen es nicht. Er würde aber dank ungleich besserer
Wettervorhersagen genauer wissen, wann seine Untersuchungsobjekte vom
Himmel fallen!

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.11.2019

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