Thema des Tages

22-11-2019 09:20

Wann ist wieder "Schicht" mit der Grenzschichtproblematik?

Das Wetter in Deutschland wird aktuell entscheidend von den Prozessen
in der Grenzschicht geprägt. Welche das sind wird heute im Thema des
Tages erläutert.

Grenzschichtproblematik. Das Wort fällt aktuell oft, wenn sich
Meteorologen über das Wetter in Deutschland unterhalten. Gemeint ist
damit, dass in der momentanen Wettersituation die entscheidenden
Abläufe des Wetters in den untersten 1,5 km stattfinden.

Dieser Bereich der Atmosphäre wird nämlich als Grenzschicht
bezeichnet (https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?nn=1033
46&lv2=101996&lv3=102070). Dabei dominieren die Prozesse in der
Grenzschicht genau dann das allgemeine Wettergeschehen, wenn die
Wetterlage ruhig ist, das heißt u.a. geringe Luftdruckgegensätze
herrschen und wenig Hebungsantrieb und in der Folge ein nur schwach
ausgeprägter vertikaler Lufttransport zu beobachten ist. Letzteres
wird häufig dadurch verursacht bzw. verstärkt, dass sich warme Luft
in der Höhe über kalte Luft am Boden schiebt. Eine solche
Konstellation wird als "Inversion" bezeichnet.

Geringe Luftdruckgegensätze und wenig Hebungsantrieb, das klingt
nicht wirklich spektakulär. Und in der Tat: Das "Große",
Faszinierende und Dramatische fehlt dem Wetter aktuell. Aber die
Tatsache, dass das Wetter nicht kritisch ist, heißt nicht, dass die
Vorhersage nicht knifflig wäre. Denn die Tücke liegt im Detail.

Der wesentliche Grund dafür ist die Luftfeuchtigkeit. Da der Eintrag
von Feuchtigkeit in die Atmosphäre praktisch ausschließlich an oder
in der Nähe der Erdoberfläche stattfindet, diese Feuchtigkeit aber
durch den fehlenden Luftmassenaustausch nicht wegtransportiert werden
kann, reichert sie sich in der Grenzschicht an. In der Folge nimmt
die Nebelneigung zu, insbesondere in den Übergangsjahreszeiten.
Darauf deutet z. B. auch die alte Bezeichnung "Nebelung" für den
November hin.

Aber leider bedeutet "viel Feuchte" nicht automatisch Nebel. Hier
gilt es, auch auf andere Faktoren zu achten - wie z.B. den Wind. Denn
wenn dieser - trotz der insgesamt geringen Luftdruckgegensätze - zu
stark ist, sorgt die in der Folge auftretende Turbulenz für ein
Auflösen des Nebels (oder der Wind verhindert dessen Bildung). Auch
die Bewölkung ist ein entscheidender Faktor, denn bei klarem oder
gering bewölktem Himmel kühlt die Grundschicht nachts stärker aus. In
der Folge steigt die relativ Feuchte der Luft, was wiederum die
Nebelwahrscheinlichkeit erhöht. Als Letztes in dieser kleinen Liste
sei noch möglicher Niederschlag erwähnt. Der kritische Leser könnte
anmerken, dass geringer Hebungsantrieb nicht wirklich für Regen oder
gar Schnee spricht. Stimmt! Aber es kommt nicht selten vor, dass
Nebel- oder Hochnebelfelder durch geringe Hebungsimpulse etwas
angehoben werden, was schon ausreichen kann, um Nieselregen zu
produzieren - der dann die feinen Nebeltröpfchen aus der Grundschicht
auswaschen kann.

Dazu kommt, dass bei der aktuellen Wetterlage die Temperaturen nachts
durchaus schon mal in den leichten Frostbereich sinken. Das bedeutet,
dass sich potentieller Nebel in Form von Reif ablagern kann, und in
der Folge besteht Glättegefahr.

Und wann ist wieder "Schicht" mit der Grenzschichtproblematik? In der
kommenden Woche deutet sich Schritt für Schritt eine Umstellung der
Wetterlage an. Dabei wird am Montag die aktuell noch verbreitet
vorhandene Inversion von Westen her abgebaut. Doch wer auf schönes
Wetter hofft wird wohl enttäuscht. Aktuell sagen die Modelle einen
eher regnerischen Dienstag voraus.

Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.11.2019

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst