Thema des Tages

29-11-2019 08:20

Raureif, Raueis, Raufrost - Was denn nun?!

In frostigen Nächten bildet sich an Vegetation, an beliebigen
Gegenständen sowie auf Straßen und Gehwegen gerne mal Eis. "Raureif!"
heißt es dann landläufig, doch wissenschaftlich korrekt ist die
Bezeichnung nur selten.

Die uns umgebende Luft beinhaltet stets eine bestimmte Menge an
Wasserdampf. Dieser ist gasförmig und in der Regel unsichtbar. Dabei
gilt: Je kälter die Luft, desto weniger Wasserdampf kann sie
aufnehmen. Bei fortschreitender Abkühlung ist irgendwann ein Punkt
erreicht, der sogenannte Taupunkt, an dem die Luft bezüglich des
Wasserdampfes gesättigt ist (100% relative Luftfeuchtigkeit). Der
Wasserdampf kann nicht mehr in der Luft gehalten werden und
kondensiert zu kleinsten Wassertröpfchen, die sich bei Temperaturen
über 0 Grad Celsius als Nebel in der Luft halten oder als Tau an
Gegenständen niederschlagen. Auch bei einem Taupunkt unter 0 Grad
Celsius kann sich Nebel bilden, während die Wassertröpfchen an den
Gegenständen gefrieren und dort so nicht mehr als Tau, sondern als
Eis in Erscheinung treten.

Die sich bei dichtem Nebel und Temperaturen meist zwischen -2 und -10
Grad Celsius bildenden, sehr fest anhaftenden "Eisfahnen" nennt man
Raueis oder Raufrost. Die kleinsten, unterkühlten Wassertröpfchen aus
dem Nebel werden durch Wind an die kalten Gegenstände getrieben und
gefrieren dort. Je stärker der Wind desto stärker auch die
Raueisbildung. Die "Eisfahnen" zeigen dabei dem Wind entgegen. Meist
kommt es bei der Raueisbildung an Gegenständen zu Lufteinschlüssen,
wodurch das Raueis weißgrau und undurchsichtig erscheint. Bei sehr
langsamer Anlagerung und Gefrieren der Wassertröpfchen kann sich
unter Umständen aber auch ein klares, durchsichtiges Eis ohne
Lufteinschlüsse ausbilden. Diese Unterform des Raueises wird als
"Klareis" bezeichnet.

Im Gegensatz zu Raueis und Klareis tritt Raureif meist bei deutlich
tieferen Temperaturen auf. üblicherweise muss das Quecksilber unter
-8 Grad sinken, damit effektiv Raureif gebildet werden kann.
Zusätzlich benötigt es eine Luftfeuchtigkeit von mindestens 90 %.
Trotz der noch nicht vollends gesättigten Luft kann ein Teil des
Wasserdampfes aus dieser bereits "ausgeschieden" werden. Bei
besonders tiefen Temperaturen geht das Wasser aber nicht mehr vom
gasförmigen in den flüssigen Aggregatzustand über, sondern direkt in
den festen. Dieser Prozess, der besonders an den unterkühlten
Gegenständen auftritt, wird als Resublimation bezeichnet. Manchmal
ist auch nur von "Reif" die Rede. Dabei handelt es sich ebenfalls um
Resublimation von Wasserdampf an sich im Vergleich zur Umgebung
besonders stark auskühlenden Oberflächen meist nahe des Erdbodens (an
Grashalmen, Laub, auf Straßen, bevorzugt auf Brücken).

Kennzeichnend für den durch Resublimation entstehenden Raureif oder
Reif ist die kristalline Struktur, wie sie auch bei Schneeflocken
unter einer Lupe zu bestaunen sind. Häufig zeigen sich nadelförmige
Eiskristalle an den Gegenständen. Eisblumen, die man in seltenen
Fällen an Fensterscheiben entdecken kann, sind eine Sonderform des
Raureifs.
"Nebelfrostablagerungen" ist die Sammelbezeichnung für die
abgesetzten Niederschläge Raureif, Raueis und Klareis.
Nebelfrostablagerungen können für eine ausgeprägte Glättesituation
auf Straßen und Gehwegen sorgen. Hierfür verwendet man gerne den
Begriff "Reifglätte". Raureif und Raueis werden durch Begehen und
Befahren zusammengepresst und gefrieren dabei nach kurzzeitigem
Verflüssigen zu einer zum Teil spiegelglatten Eisfläche. Ähnlich
geschieht dies auch mit den Nebelfrostablagerungen, die sich an den
Ästen der Bäume gebildet haben und anschließend auf die Straßen und
Gehwege fallen. Letzterer Vorgang ist wahrscheinlich sogar der
häufiger vorkommende.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.11.2019

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