Thema des Tages

01-12-2019 12:50

Praktische Anwendungen für Radiosondenaufstiege

Im Thema des Tages vom 10.11.2019 wurden die Grundlagen zu diesem
Thema dargelegt. Im heutigen zweiten Teil sollen konkrete praktische
Anwendungen gerade im Hinblick auf das Winterhalbjahr beleuchtet
werden.

Wir kommen nochmal auf das oben genannte Thema des Tages
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/11/10.html) zurück
und schließen nahtlos an die dort ausgeführten praktischen
Anwendungen an.

Also, wofür sind Radiosondenaufstiege oder auch Soundings genannt,
nützlich in der Meteorologie, gerade jetzt im Winter?

Anhand von Soundings lässt sich unter anderem erkennen, in welchen
Höhen sich Wolken befinden oder ob Nebel auftritt. Ebenso kann man
daraus ablesen, ob es im Winter in der Höhe eine Schicht mit
Temperaturumkehr und eventuell positiven Temperaturen (Inversion
genannt) gibt, die bei Niederschlag und Frost am Boden mitunter für
Regen mit Glatteisbildung sorgen kann. Zudem lässt sich mit Hilfe
dieser Diagramme relativ schnell sagen, ob Schnee oder Regen am Boden
zu erwarten ist.

In der Grundschicht (auch planetarische Grenzschicht genannt,
unterste Schicht der Atmosphäre, i.d.R. bis ca.1500 m oder rund 850
hPa) kann man direkt Temperatur und Taupunkt ablesen und darauf auf
den jeweiligen Feuchtezustand innerhalb der Grundschicht schließen.
Je näher die Kurven zusammenliegen, desto höher die relative
Luftfeuchte.

Dabei ist in der Vertikalen auch die Dicke der Schicht wichtig, durch
die die Hydrometeore fliegen und der jeweilige Sättigungsgrad
(relative Luftfeuchtigkeit) der umgebenden Schicht. Das beschreibt
z.B. den Effekt, dass Schnee auch bei höheren Temperaturen in
Erdbodennähe fallen kann, wenn die untere Schicht trockener ist und
die Schneekristalle durch Verdunstungskühlung eben nicht so schnell
schmelzen.

Bevor ein konkretes und anschauliches Beispiel zur Ableitung der
Niederschlagsphase folgt, sollen zuvor zum besseren Verständnis noch
einige Erläuterungen zur Darstellungsweise und Interpretation auf den
Diagrammen gemacht werden:

Auf der horizontalen Achse der angefügten Grafik ist die Temperatur
abgebildet, auf der vertikalen Achse die Höhe in Hektopascal (Einheit
für den Luftdruck). Der Luftdruck nimmt mit der Höhe ab und für
Meteorologen ist es wichtig zu wissen, auf welchem Druckniveau (z. B.
850 hPa (etwa 1500m)) welche Temperatur herrscht. Die
durchgezeichnete Linie ist der Verlauf der Temperatur, die
gestrichelte Linie zeigt den Taupunkt als Feuchtemaß an.

Um jetzt die Niederschlagsphase in Stationshöhe abzuleiten, liest man
zunächst in 850 hPa die Temperatur ab. Dann geht man auf der
Feuchtadiabaten (nach links oben steiler gekrümmte blaue Linien,
siehe: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon, Suchbegriff
Adiabatische Zustandsänderung) bis zur Untersättigung (relative
Luftfeuchtigkeit unter 100%, d.h. Taupunkt der Luft ist niedriger als
die Temperatur) hinunter im Sounding. Anschließend fährt man entlang
der Trockenadiabaten (flacher verlaufende grüne Kurven nach links
oben, siehe ebenso Wetterlexikon) weiter bis zum Boden bzw. zur
Stationshöhe. Dort erhält man die potentielle Äquivalenttemperatur
(siehe ebenso Wetterlexikon) in Stationshöhe, wobei diskrete Werte
direkte Rückschlüsse auf die Niederschlagsphase ermöglichen.

Schauen wir uns nun mal konkret das Sounding von Lindenberg vom
16.03.2018, 13 Uhr MEZ an, um das Gesagte anschaulich darzustellen:
in 850 hPa beträgt die Lufttemperatur rund -5 Grad. Dort ist der
Taupunkt gleich der Lufttemperatur (liegt ebenso bei rund -5 Grad),
d.h. es herrscht Sättigung (relative Luftfeuchtigkeit beträgt 100%).
Daher können wir zunächst eine benachbarte Feuchtadiabate parallel
verschieben (siehe Grafik, gekrümmte blaue Linie) und bis zum Zustand
der Untersättigung (rote Linie auf ca.950 hPa) hinuntergehen. Danach
verschieben wir eine benachbarte Trockenadiabate parallel und gehen
auf dieser bis auf Stationshöhe hinunter. Dort kommen wir bei ca.+7
bis +8oC (oder rund 280 K) heraus. Das ist die Potentielle
Äquivalenttemperatur (in K = Kelvin, wobei 0oC rund 273 K
entsprechen) in Stationshöhe. Bei Werten >= 12 K (Grenze für reine
Schneephase) ist mit Schneeregen, bei Werten >15 K meist mit Regen zu
rechnen. Die Beobachtungsdaten von 13 Uhr MEZ zeigen, dass dort
leichter Schneefall beobachtet wurde.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die potentielle
Äquivalenttemperatur viel über den Feuchte- und Wärmegehalt der
(darüber liegenden) Luftmasse aussagt und daher als Indikator für die
Niederschlagsphase außerordentlich hilfreich ist. Das funktioniert
selbst dann zuverlässig, wenn innerhalb der Grundschicht eine
Inversion (also Temperaturzunahme mit der Höhe, wie im betrachteten
Beispiel) vorliegt.


Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.12.2019

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