Thema des Tages

10-12-2019 10:20

Das Gesamtbild der Luftmassenzirkulation und die Bedeutung für das
Wetter!

Das Wetter zeigt sich derzeit eher von seiner launischen Seite.
Nachdem am heutigen Dienstag Hoch "Tatjana" nochmals für
Zwischenhocheinfluss sorgt, geben sich ab der kommenden Nacht die
Tiefdruckgebiete und deren Tiefausläufer wieder die Klinke in die
Hand. Eine Folge der eingespielten Nordatlantik Zirkulation?!

Wie schon häufig im Thema des Tages beschrieben, bilden sich Hoch-
und Tiefdruckgebiete bevorzugt entlang der sogenannten "Polarfront"
(vgl. Wetterlexikon DWD). Diese Luftmassengrenze ist oft wellenförmig
deformierte und steuert die Hoch- und Tiefdruckgebiete und somit das
Gesamtbild der Luftdruckverteilung auf der Nordhemisphäre. Dabei ist
zu beobachten, dass auf der Nordhalbkugel die Wellenamplitude im
Vergleich zur vom Wasser dominierten Südhemisphäre größer ist.
Während sich auf der Nordseite der Polarfront hochreichende Tiefs
teilweise bis in subtropische Gebiete erstrecken, wandern die Tief-
und Hochdruckgebiete auf der Südseite sehr zonal mit der westlichen
Höhenströmung.

Diese Luftdruckverteilungen bzw. Zirkulationsmuster der Atmosphäre
werden auf der Nordhalbkugel durch diverse Indizes beurteilt und
anschließend mit der Witterung in Verbindung gebracht. Für den
Bereich des Pazifiks und Nordamerikas analysieren die Meteorologen
den sogenannten "PNA-Index (Pacific-North-America-Index)". Um das
Wettergeschehen über Europa zu erklären, wird der sogenannte
"NAO-Index (North-Atlantic-Oscillation-Index)" betrachtet. Doch was
beschreiben diese Indizes bzw. entsprechenden Zirkulationsmuster? Der
heutige Abschnitt beschäftigt sich dabei mit dem atlantischen und
europäischen Raum.

Die Nordatlantische Oszillation beschreibt den Druckunterschied
zwischen dem Islandtief (Reykjavik) und dem Azorenhoch (Ponta
Delgada) auf dem Atlantik (vgl. Abbildung 1). Je nachdem, ob die
Differenz positiv oder negativ ist, lassen sich Aussagen über die
Stärke der Westwinddrift, also der westlichen Strömung über dem
Ostatlantik, machen. Die zeitliche Variabilität wird dabei
üblicherweise durch den NAO-Index abgebildet. Ist der
Luftdruckgegensatz zwischen dem Azorenhoch im Süden und dem
Islandtief im Norden durch einen sehr tiefen Druck über Island und
einen sehr hohen Druck über den Azoren größer als im Mittel, so
spricht man von einem positiven NAO-Index. In diesem Fall kann sich
etwa zwischen 40° und 60° nördliche Breite eine starke westliche
Strömung ausbilden, die im Winterhalbjahr häufig mit Winterstürmen
einhergeht. Diese bringen von West- über Mitteleuropa hinweg bis nach
Sibirien oft milde Winter und reichlich Niederschläge. Vom
Mittelmeerraum bis zum vorderen Orient herrschen bei einer positiven
NAO dagegen meist Trockenheit und relativ kalte Winter vor, in
Westgrönland dominieren dann kalte nördliche Winde.

Bei einem negativen NAO-Index ist der Druckgegensatz zwischen dem
Islandtief und dem Azorenhoch deutlich abgeschwächt. Teilweise drehen
sich die Druckgebilde sogar um, sodass sich über Island ein
Hochdruckgebiet und über den Azoren ein Tief befindet. Dadurch können
sich häufig blockierende Wetterlagen durchsetzen. Dabei bilden sich
im Winter oftmals Hochdruckgebiete über Westeuropa, die dazu führen,
dass aus Norden kalte Luft nach Mitteleuropa einfließen kann.
Allerdings können die die Westströmung blockierenden Hochs auch
weiter östlich auftreten. In diesen Fällen würden dann auf der
Westseite eher milde Luftmassen aus dem Mittelmeerraum nach Norden
gelangen. Gerade am sehr milden Weihnachtsfest im letzten Jahr konnte
man dies beispielhaft beobachten. Im Mittelmeerraum herrschen dann
oft milde, aber auch feuchte Witterungsverhältnisse vor.

Ein Blick auf den NAO-Index der letzten Monate (siehe Abbildung 2)
zeigt, dass dieser sich von September bis Mitte November meist im
neutralen oder leicht negativen Bereich befindet. In der zweiten
Novemberhälfte sank er dann auf einen Wert von -1 und somit hin zu
vorübergehend negativen Verhältnissen ab. Dies äußerte sich beim
Wetter, indem über dem Atlantik und Westeuropa kräftige
Tiefdruckgebiete wirbelten. Von dem Azorenhoch gab es kaum etwas zu
sehen, stattdessen konnte sich über Osteuropa ein mächtiges Hoch
ausbilden und die atlantischen Tiefs auf Ihrem Weg nach Osten
ausbremsen. Deutschland lag dabei aber überwiegend auf der warmen
Seite der Tiefs. Einen winterlichen Gruß gab es nur zum
Monatswechsel, als sich vorübergehend ein Hoch von Island bis ins
westliche Mittelmeer zog und somit die Tiefs schon frühzeitig
blockierende. In diesem Fall konnte von Norden kalte Polarluft ins
Land vordringen.

Seit Anfang Dezember gab es dann bei der NAO wieder ein signifikanter
Trend zu deutlich positiven Werten zwischen 1 und 2 zu beobachten.
Nach dem kurzen Kaltlufteinbruch konnte sich die Westströmung rasch
erholen. Bis auf kurzzeitigen Zwischenhocheinfluss und somit
ruhigeren Wetterbedingungen gaben und geben sich derzeit die
Tiefdruckgebiete sowie die zugehörigen Tiefausläufer die Klinke in
die Hand. Eine, für die mittleren Breiten, typische Westwetterlage
mit einem windigen, unbeständigen und mäßig kalten bis milden
Wettercharakter ist die Folge.

Nach Monatsmitte soll der NAO-Index zwar wieder stärker fallen und
meist neutrale Werte annehmen. Dies wiederum darf nicht gleich als
deutliches Signal hin zu blockierenden Zirkulationsverhältnissen und
dauerhafte winterliche Bedingungen bis in tiefe Lagen gewertet
werden.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.12.2019

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst