Thema des Tages

15-07-2016 14:40

Regenreiche ULRIKE

Bereits im Vorfeld der Entstehung des Tiefs ULRIKE über dem Golf von
Genua am vergangenen Dienstag herrschte über Süddeutschland eine
angespannte Wetterlage. Mit Annäherung der Kaltfront des
Skandinavientiefs TIBA entstanden über Süddeutschland heftige
Gewitter und Starkregenfälle. Traten diese zunächst nur punktuell
auf, entwickelten sich zunehmend zusammenhängende
Niederschlagsgebiete (Cluster) mit länger andauernden Regenfällen
(siehe Thema des Tages vom 12.07.2016).

Am vergangenen Dienstag erreichte die Kaltfront nun den Alpenbogen,
der zunächst einmal eine natürliche Barriere darstellt und schwerlich
überwunden werden kann. Die Schubkomponente der Front (Wind, der
senkrecht auf der Front steht und somit für die
Verlagerungsgeschwindigkeit verantwortlich ist) war zu diesem
Zeitpunkt über Deutschland nur schwach ausgeprägt, über Frankreich
allerdings stärker, womit sie dort rasch ins westliche Mittelmeer
vordringen konnte. Da auch die Bedingungen in höheren
Atmosphärenschichten einen guten Nährboden für eine neue
Tiefentwicklung (Zyklogenese) darstellten, entwickelte sich das auf
den Namen ULRIKE getaufte Tief im Lee der Alpen über dem Golf von
Genua. In der Meteorologie ist dieser Prozess klassisch als
sogenannte "Genuazyklogenese" bekannt.

Stößt nun die Kaltluft am Südrand des neu entstandenen Tiefs weiter
ostwärts vor, trifft sie über dem zentralen Mittelmeerraum,
insbesondere über der Adria, häufig auf feucht-warme Subtropikluft.
Dieser Gegensatz liefert wiederum einen guten Nährboden für
Randtiefentwicklungen (in diesem Fall ULRIKE II) auf der Vorderseite
des Genuatiefs (ULRIKE I). Sie ziehen mit der Höhenströmung östlich
des Alpenbogens nord-nordostwärts (Vb-Zugbahn, siehe Thema des Tages
vom 26.02.2016) und bringen auf ihrer Rückseite bevorzugt über Süd-
und Ostdeutschland, Österreich, Tschechien und Westpolen kräftigen
Dauerregen. Ergibt sich im Hochsommer eine derartige, eventuell sogar
mehrtägige Wetterkonstellation, sind nicht selten verheerende
Hochwasser die Folge (Oderhochwasser 1997, Elbehochwasser 2002).
Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen als kalte, daher ist zu dieser
Zeit der potentielle Gehalt an niederschlagbarem Wasser am höchsten.


Beschränkten sich die Regenfälle zunächst auf Süddeutschland,
insbesondere Ober- und Niederbayern, weiteten sie sich mit
nordwärtiger Verlagerung von ULRIKE II am gestrigen Donnerstag
zunehmend auch nach Sachsen und Ostbrandenburg aus. In einem Streifen
von der Oberlausitz bis zum Oderbruch, sowie punktuell im
Berchtesgadener Land wurden dabei in den letzten 24 Stunden
Niederschlagssummen von 30 bis 50 Liter pro Quadratmeter erreicht
(siehe Abbildung), was vielerorts bereits etwas mehr als die Hälfte
des im Juli üblichen Monatsniederschlags ausmacht. Dabei muss man
jedoch festhalten, dass Deutschland noch glimpflich davon gekommen
ist und es Polen beispielsweise weitaus schlimmer erwischte. So
fielen im gleichen Zeitraum in Leszno-Strzyzewice südlich von Poznan
(Posen) 83 l/qm, also rund das doppelte der hiesigen Mengen.
Schaut man gezielt auf die letzten 3 Tage nach Oberbayern, so fielen
dort verbreitet 50 bis 80 Liter auf den Quadratmeter, am Alpenrand
örtlich sogar über 100 l/qm, wie beispielsweise mit 116 l/qm in
Oberstdorf-Rohrmoos oder mit 128 l/qm an der Station Obere Firstalm
in den Schlierseer Bergen unweit des Tegernsees.

Trotz dessen ist die gegenwärtige Hochwassersituation in benannten
Gebieten glücklicherweise nicht dramatisch. In Passau wurde mit einem
Pegelstand von 753 cm am gestrigen Abend die Meldestufe 2 erreicht.
Die befürchtete Überschreitung der 770 cm Marke (Meldestufe 3) wurde
aber nicht registriert. Inzwischen sind die Pegel wieder leicht am
Fallen. Meldestufen 1, vereinzelt 2 sind in Bayern aktuell zudem noch
an der Regen, Schwarzach und Würm vorzufinden. Weitere Informationen
hierzu finden Sie unter www.hochwasserzentralen.de.

Bemerkenswert sind aber auch die Höchsttemperaturen der vergangenen
Tage, beispielsweise in Reit im Winkl im Landkreis Traunstein
(Bayern):
Montag (vor der Kaltfront) 31,4 Grad, Dienstag 22,5 Grad, Mittwoch
16,2 Grad, Donnerstag 11,6 Grad. Macht einen Temperatursturz von
satten 20 Grad binnen drei Tagen, da gerät der Kreislauf bei dem ein
oder anderen schon an seine Grenzen.

Nach Abzug des Tiefs ULRIKE setzt sich in den nächsten Tagen
zumindest in der Südhälfte des Landes ein Keil des Hochs BURKHARD mit
Zentrum über der Biskaya durch und entschädigt mit Sonnenschein und
sommerlichen Höchstwerten über 25 Grad. Der Norden wird unterdessen
zeitweise von - wenn auch schwachen - Tiefausläufern überquert. Die
Temperaturen steigen aber auch dort etwas an und überschreiten
vielfach wieder die 20 Grad-Marke.


Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 15.07.2016