Thema des Tages

17-12-2019 09:50

Festgefroren in der Arktis (Teil 1)

Ein ganzes Jahr ist das Forschungsschiff "Polarstern" an einer
Eisscholle festgefroren und driftet durch die Arktis. Ziel der
MOSAiC-Expedition ist ein besseres Verständnis der Klimaprozesse der
zentralen Arktis im Laufe eines Jahres.

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich monatelang bei absoluter
Dunkelheit (während der Polarnacht) und fernab jeglicher Zivilisation
unweit des Nordpols und driften mit dem Meereis durch die Arktis. Was
jenseits unserer Vorstellungskraft sein mag, erleben gerade
tatsächlich einige Forscher. Die Rede ist von der MOSAiC-Expedition,
eine einjährige Messkampagne unter Leitung des deutschen
Alfred-Wegener-Instituts (AWI). MOSAiC steht hierbei für
"Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic
Climate", zu Deutsch "Multidisziplinäres Driftobservatorium zur
Untersuchung des Arktisklimas". Man macht sich die Meereisdrift zu
Nutze, die es ermöglicht, dass die Forscher auch im Winter in die von
Meereis bedeckte Zentralarktis gelangen können, um dort umfassende
Messungen durchzuführen.


Obwohl das deutsche Forschungsschiff schon am 20. September
aufgebrochen und seit mehr als zwei Monaten an einer Eisscholle in
der Arktis festgefroren ist, erhielten deutsche Medien erst
vergangenes Wochenende die ersten Filmaufnahmen, sodass erstmals die
breite Öffentlichkeit Einblicke in diese bisher einmalige
Forschungskampagne bekommen können. Aber warum hat das so lange
gedauert? Die Expedition befindet sich so weit im Norden, dass
Satellitenfernsehen nicht mehr möglich ist. Das Filmmaterial musste
daher mittels einer aufwändigen zweimonatigen Fahrt mit dem
Eisbrecher nach Deutschland gebracht werden. Allein daran erkennt
man, in welch extremen Gefilden die Forschungen durchgeführt werden.


Aber warum begibt man sich überhaupt zum Messen und Forschen in
derartige Regionen? In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die
Arktis besonders schnell erwärmt, was zu einem deutlichen Rückgang
des arktischen Meereises geführt hat. Damit stellt die Arktis eine
Schlüsselrolle in der Veränderung des zukünftigen Klimas dar. Gerade
im Winter wissen wir bisher aber noch sehr wenig über die Arktis, da
man sie zu dieser Jahreszeit nur sehr schwer erreichen kann und daher
bis jetzt kaum Messungen existieren. Das soll sich mit der
MOSAiC-Expedition ändern. Wissenschaftler aus 19 Nationen und 82
Forschungseinrichtungen erkunden ein Jahr lang die Arktis unter der
Führung des deutschen Alfred-Wegener-Instituts. Insgesamt werden
während der Expedition über mehrere Zeitabschnitte verteilt mehr als
600 Personen in der zentralen Arktis tätig sein. Die Bandbreite der
Forschung reicht von der Atmosphärenforschung über physikalische
Meereisforschung und Ozeanographie bis hin zur biologischen und
biochemischen Forschung.


Die Kampagne soll einen Durchbruch im Verständnis des arktischen
Klimasystems bringen. Dies ist von großer Bedeutung, da die Arktis
eng an das Wettergeschehen in unseren Breiten gekoppelt ist. "Wir
werden unser Klima nicht korrekt vorhersagen können, wenn wir keine
zuverlässigen Prognosen für die Arktis bekommen", sagt hierzu
Expeditionsleiter Prof. Dr. Markus Rex vom AWI. Die MOSAiC-Expedition
hat also zum Ziel, die komplexen und derzeit nur unzureichend
verstandenen Klimaprozesse der zentralen Arktis zu erkunden und das
Zusammenspiel zwischen Atmosphäre, Meereis und Ozeanströmungen besser
zu verstehen. Die Erkenntnisse führen anschließend zu einer
verbesserten Darstellung der Prozesse in Klimamodellen. Somit helfen
die Ergebnisse, die regionalen und globalen Folgen des arktischen
Klimawandels und des Meereisverlustes besser zu verstehen, was
schlussendlich zu genaueren Wetter- und Klimaprognosen führen wird.


Übrigens, im Polarstern-Blog (https://follow.mosaic-expedition.org/)
bekommen Sie täglich einen kleinen Einblick in die aktuellen
Herausforderungen im Leben und bei den Messungen unter
Extrembedingungen im arktischen Meereis und können zusätzlich die
bisherige Drift und die aktuelle Position der Polarstern sowie die
Wetterbedingungen verfolgen.


In weiteren Teil(en) gehen wir näher auf den zeitlichen Ablauf der
MOSAiC-Expedition ein, erklären genauer, was es mit der Meereisdrift
auf sich hat und beschreiben den immensen logistischen Aufwand dieser
Messkampagne.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.12.2019

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