Thema des Tages

16-07-2016 14:40

Warum arbeiten Hunderte von Naturwissenschaftlern nicht im
Wissenschafts-, sondern im Verkehrsministerium?

Werfen wir ein Blick auf die Ausbildungsgänge der
Wetterdienstmitarbeiter außerhalb der Verwaltung, so dominieren die
Naturwissenschaftler, hauptsächlich natürlich Meteorologen. Ein paar
Mathematiker, Informatiker und Ingenieure runden das Bild ab. Man
sollte also annehmen, dass der Deutsche Wetterdienst (DWD) Teil des
Wissenschaftsministeriums ist. Aus der Überschrift geht aber hervor,
dass wir zum Verkehrsministerium gehören. Wie kommt das?
"Schuld" daran ist der Luftverkehr und seine Abhängigkeit von der
Atmosphäre.
Schon der erste bekannte Flugunfall war der mangelnden Beachtung
einer flugmeteorologischen Beratung geschuldet. Dädalus warnte
nämlich seinen Sohn Ikarus davor (bei wolkenlosem Himmel) der Sonne
zu nahe zu kommen, weil sonst das Wachs, das die Federn der Flügel
zusammenhielt, schmelzen würde. Da Ikarus die Warnung nicht
beachtete, stürzte er ab.
Bereits einige Jahre nach dem ersten Motorflug Anfang des
zwanzigsten Jahrhunderts wurde in Deutschland der Luftfahrtwarndienst
ins Leben gerufen, institutionalisiert wurde die Beratung 1933 beim
Reichsamt für Flugsicherung. 1934 schließlich wurde der
Reichswetterdienst gegründet, der dann beim Luftfahrtministerium
landete. Der faktische Nachfolger des Luftfahrtministeriums war das
1949 gegründete Verkehrsministerium, in dem dann auch der DWD seine
Heimat fand.
Warum die Meteorologie, also die Wissenschaft der Atmosphäre, für den
Flugverkehr so wichtig ist, leuchtet unmittelbar ein. Ohne Atmosphäre
gäbe es den Flugbetrieb, so wie wir ihn kennen, überhaupt nicht. Die
gesamte Flugreise ist wetterabhängig, sei es der Zustand von Start-
bzw. Landebahn, sei natürlich der eigentliche Flug durch die
Atmosphäre.
Ärgerlich für die Luftfahrtindustrie ist insbesondere die Tatsache,
dass das Wetter unkooperativ und zudem chaotisch ist. Die
Auswirkungen auf den Flugverkehr sind also von großer ökonomischer
und zunehmend auch ökologischer Bedeutung. Im Detail werden wir uns
in weiteren Themen des Tages damit beschäftigen.
Auch die anderen Verkehrsarten sind, wenn auch in weit geringerem
Maße, vom Wetter abhängig, der Straßenverkehr von Glätte und von sehr
großer Hitze, die Schifffahrt von Wasserständen und auch die Bahn
redet inzwischen vom Wetter.
Wir sehen also, dass der Wetterdienst aus volkswirtschaftlicher Sicht
beim Ministerium für Verkehr gut aufgehoben ist.

Dipl.-Met. Christoph Hartmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.07.2016