Thema des Tages

26-12-2019 09:20

Das Licht in den langen Winternächten

Schwelgen Sie an düsteren Wintertagen in Erinnerungen an lange
Sommerabende? Da sind Sie wohl nicht allein. Die mangelnde
Lichtausbeute ist aber nicht nur fehlender Komfort, sondern kann auch
gesundheitliche Auswirkungen haben.

Die Tage um Weihnachten und Neujahr gehörten für unsere Vorfahren
zu einer besonders herausfordernden Zeit. Wenn bei überwiegender
Dunkelheit Schneestürme über das Land fegten und die Temperatur weit
im negativen Bereich lag, konnten die dann herrschenden
Umweltbedingungen durchaus als bedrohlich empfunden werden. Nicht
umsonst ranken sich auch viele Sagen um genaue jene Zeit, in der
Dämonen, Trolle, Elfen und Geister ihr Unwesen treiben sollen. Umso
mehr gab es in der Bevölkerung immer großes Aufatmen, wenn das
Tageslicht wieder länger andauerte und die Sonne langsam an Kraft
gewinnen konnte.

Auch die heutige Gesellschaft ist bestrebt, die langen Nächte
aufzuhellen und die Dunkelheit zu verkürzen. Gerade zum Ende des
Jahres sind wir fasziniert von den verschiedensten künstlichen
Lichtquellen und von hell flackernden Kerzen. Bringt man dabei aber
das Stichwort ?Lichtverschmutzung? ins Spiel, sind die Entwicklungen
der letzten Jahre natürlich nicht durchweg positiv zu beurteilen.
Allerdings muss auch erwähnt werden, dass die mangelnde Lichtausbeute
unmittelbar Auswirkungen auf unseren Körper hat. Vor allem der
Hormonhaushalt kann ordentlich in Schieflage geraten, besonders das
Zusammenspiel von Serotonin und Melatonin. Dieses steuert maßgeblich
den Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen und ist daher für die Gesundheit
von entscheidender Bedeutung.

Besonders in den durch die Polarnacht maßgeblich beeinflussten
skandinavischen Ländern investieren die Gesellschaften viel in die
Erforschung der Auswirkungen von Lichtmangel. In den Wintermonaten
kommt dort in vielen Regionen die Sonne kaum oder gar nicht zum
Vorschein. Die Neigung der Erdachse und der damit verbundene
Sonnenstand verhindern einfach die Versorgung mit natürlichem Licht.
Im Rahmen von Studien konnte dort nachgewiesen werden, dass sich ein
solches Lichtdefizit früher oder später auch auf die Volksgesundheit
auswirkt. So sind zum Beispiel Antriebslosigkeit, Müdigkeit und die
vermehrte Zuwendung zum Alkohol ernstzunehmende Folgeerscheinungen.
Selbst Depression können dadurch ausgelöst werden.

In einigen nordeuropäischen Regionen wird daher schon länger
versucht, auch im Winter eine Grundversorgung mit "Tageslicht"
sicherzustellen. Da dies mit natürlichen Mitteln selbstverständlich
nicht zu erreichen ist, wird auf technische Hilfsmittel
zurückgegriffen. Dabei ist von elementarer Bedeutung, dass das
künstlich erzeugte Farbspektrum dem des natürlichen Lichts möglichst
nahekommt. So sind zum Beispiel im schwedischen Umea die Haltestellen
der öffentlichen Verkehrsmittel vor einigen Jahren mit großen
Tageslichtlampen ausgestattet worden. Erhofft wurde dabei, dass die
Anzahl und Schwere von Winterdepressionen durch den Lichtersatz
reduziert wird. Allerdings gehen die Meinungen über eine solche
Methodik deutlich auseinander. Für einige Mediziner ist eine solche
?Lichttherapie? von viel zu kurzer Andauer, um wesentliche Folgen für
den Körper des Menschen haben zu können.

Doch kommen wir von Skandinavien nach Mitteleuropa zurück. Wir sind
zwar nicht von Polarnächten geplagt, aber die Sonne kann sich auch in
unseren Breiten tagelang verstecken. Immerhin, die längste Nacht des
Jahres haben wir mit der Wintersonnenwende bereits hinter uns. Die
astronomische Sonnenscheindauer nimmt nun stetig wieder zu und wird
zur Sommersonnenwende im Juni ihren Höhepunkt erlangen. Allerdings,
was hilft die theoretisch mögliche Sonnenscheindauer, wenn
tiefhängende Wolken diese deutlich vermindern? Hier geben uns die
Wettermodelle "Hoffnung". Während sich die Sonne heute vor allem am
Alpenrand zeigt, sind morgen im Westen längere sonnige Abschnitte
möglich. Am Wochenende ist generell der Westen und Süden vom
Sonnenschein bevorzugt, natürlich abgesehen von jenen tiefen Lagen,
die anfällig für zähen Nebel oder Hochnebel sind. Im Norden wird
dagegen ein Wechselspiel von Sonne und Wolken erwartet. Wenn möglich,
nützen Sie also die Zeit um "Sonne zu tanken".

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.12.2019

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