Thema des Tages

06-01-2020 09:50

Stürmische Ägäis

Derzeit dringt kalte Luft erneut weit nach Süden und Südosten vor und
verursacht bedingt durch starke Luftdruckgegensätze und zusätzliche
Effekte Orkanböen über der Ägäis.

Vor zwei Tagen (am 04.01.2020) hat Deutschland einen Streifschuss
polarer Luftmassen im Norden und Nordosten abbekommen. Dabei wurden
im Ostseeumfeld kurzzeitig Böen der Stärke 10 bis 11 (95 bis rund 105
km/h) registriert, bei Gewittern mit Graupel und Hagel im
Landesinneren in Mecklenburg-Vorpommern teilweise noch Böen der
Stärke 9 bis 10 (75 bis rund 90 km/h).

Diese Kaltluft hat nun am Rande eines Hochdruckgebietes, das
allmählich in Richtung Südosteuropa zieht, das Mittelmeer erreicht.
Als Ergebnis hat sich an der Kaltfront im Zusammenspiel mit wärmerer
Mittelmeerluft westlich der Türkei ein Tiefdruckgebiet gebildet,
welches sich aktuell noch weiter verstärkt. Damit einher gehen
einerseits vorderseitig der Kaltfront teils kräftige gewittrige
Niederschläge in der südlichen Türkei und auf Zypern. Weiter nördlich
und nordwestlich gehen schauerartige Niederschläge teils als Schnee
oder Graupel nieder, in der Türkei fällt in höheren Lagen der Mitte
und des Nordens durchweg Schnee in größeren Mengen. Andererseits
verstärken sich die Luftdruckgegensätze zwischen dem Hoch, das zum
Balkan zieht und eben diesem Tief, das nur langsam weiter in Richtung
östliches Mittelmeer zieht. Diese enormen Luftdruckgegensätze
resultieren einerseits aus großen horizontalen
Temperaturunterschieden sowohl in Bodennähe als auch in höheren
Luftschichten. Zur Verdeutlichung nur mal aktuelle Messwerte der
Lufttemperatur in 2 m Höhe: in Nordwestgriechenland melden Stationen
aktuell bereits um -1 Grad, während es an der westlichen griechischen
Ägäis-Küste in weniger als 200 km Entfernung noch +6 bis +7 Grad
sind. Das führt gerade in einem Bereich vom südlichen Bulgarien,
Nordgriechenland, dem Bosporus über die Westtürkei und die Ägäis bis
nach Kreta zu einer deutlichen Windverschärfung. Über der Ägäis, wo
die Wassertemperatur derzeit 16 Grad (nördliche Ägäis) bis 19 Grad
(südliche Ägäis) beträgt, kommt außer der geringeren Reibung der
bodennahen Luftschichten über der offenen See im Vergleich zur
Landoberfläche ein weiterer Effekt hinzu, der die Windböen zusätzlich
anfacht. Durch die Temperaturunterschiede zwischen Meeresoberfläche
und in etwa 1500 m Höhe (dort sinkt die Lufttemperatur auf etwas
unter 0 Grad ab) bekommen wir einen signifikanten vertikalen
Temperaturgradienten, der zu verstärkten Vertikalbewegungen
(Aufsteigen der wärmeren Luft über dem Meer und Absinken kälterer
Luft aus der Höhe) führt. Damit sind die Voraussetzungen gegeben für
ein verstärktes Heruntermischen des ohnehin sehr starken Höhenwindes.


Dabei treten aktuell in den genannten Regionen bereits Sturmböen und
einzelne schwere Sturmböen bis rund 100 km/h, speziell auf einigen
Inseln der Ägäis auf (Bft 10, siehe Abbildung).

Laut Prognosen hochauflösender Wettermodelle sollen heute
(06.01.2020) und in etwas abgeschwächter Form auch morgen
(07.01.2020) noch über der Ägäis Orkanböen zwischen 130 und 160 km/h
auftreten. Das gilt dann in ähnlicher Lesart für zahlreiche Inseln in
der Ägäis, wo immerhin noch orkanartige Böen und einzelne Orkanböen
um 120 km/h gerechnet werden. Damit einher gehen auch Wellenhöhen von
5 bis zu 7 m (siehe auch Prognosen des griechischen Wetterdienstes
hier: http://www.emy.gr/emy/en/).

Für die übrigen angesprochenen Regionen (siehe oben) werden ebenso
teils schwere Sturmböen um 95 km/h simuliert, bei stärkeren Schauern
sind auch dort orkanartige Böen vor allem in küstennahen Bereichen zu
erwarten.

Uns erwartet also Alles in Allem wettertechnisch so einiges in
Südosteuropa. Entsprechende Warnungen des griechischen Wetterdienstes
sind bereits ausgegeben und können hier eingesehen werden:
http://www.emy.gr/emy/en/warning/gale_html.

Dr. rer. nat. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.01.2020

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