Thema des Tages

07-01-2020 09:50

Tief ist nicht gleich Tief

Tiefdruckgebiet bestimmen in den kommenden Tagen unser
Wettergeschehen und führen teils frühlingshaft milde Luftmassen
heran. Grund genug, sich mit ihnen einmal näher zu beschäftigen.

Vor allem in den Seewettervorhersagen liest man häufiger von Rand-
und Teiltiefs. Aber auch in den sonstigen Wetterberichten aus
Printmedien, Hörfunk und Fernsehen fallen diese Begriffe (nicht
selten inkorrekt) immer mal wieder. Doch worin besteht eigentlich der
Unterschied und was bedeutet er für die Vorhersage?

Ausgangspunkt ist jeweils das Vorhandensein eines sogenannten
"Zentraltiefs". Dieses ist bis in höhere Atmosphärenschichten
ausgeprägt und fungiert als "steuerndes Zentrum", indem die Strömung
großräumig entgegen des Uhrzeigersinns (auf der Nordhalbkugel)
vorderseitig Warmluft polwärts und auf der Rückseite Kaltluft
südwärts führt. Damit leisten Tiefdruckgebiete (Fachausdruck
"Zyklonen") den notwendigen Energieaustausch zwischen den Polen (Nord
und Süd) und dem Äquator.

Die Lage der zugehörigen Luftmassengrenzen (Fronten) ist nun
entscheidend für die Entwicklung neuer Tiefdruckgebiete. So
kennzeichnet der sogenannte "Okklusionspunkt", an dem die Kaltfront
die vorlaufende Warmfront bodennah einholt (Warmluft nur noch in der
Höhe), im Falle günstiger Entwicklungsbedingungen das
Entstehungsgebiet eines Teiltiefs. Bei der Analyse der
Bodenwetterkarten taucht in dessen Vorfeld der stärkste Druckfall auf
- bei starken Entwicklungen (Sturmtiefs) gerne auch als dreistelliger
Wert (z.B. -112 hPa, was einen Druckfall von 11,2 hPa in den letzten
3 Stunden an diesem Ort bedeutet). Von einem Teiltief spricht man von
dem Zeitpunkt an, ab dem eine eigenständige Zirkulation samt
geschlossener Isobare (Linie gleichen Luftdrucks) erkennbar ist. Es
koppelt sich in der Folge oftmals vom steuernden Zentraltief ab,
schert aus und führt dann von der Höhenströmung getrieben sein
"Eigenleben". Im Zuge der Namensvergabe von der Freien Universität
(FU) in Berlin erscheint auf den Wetterkarten in Anlehnung an das
Muttertief dann der gleiche Name mit dem Zusatz "II" (römisch zwei),
in seltenen Fällen bei weiterer Teiltiefbildung auch "III", usw..

Als Randtief hingegen wird eine Neuentwicklung bezeichnet, die sich
häufig am Südrand des steuernden Tiefs an der Kaltfront abspielt.
Ausgangspunkt ist dabei ein flaches Wellentief, das sich bei
ebenfalls günstigen Bedingungen weiter vertieft und fortan eine
eigene Zirkulation und geschlossene Isobare ausbildet. Im Gegensatz
zum Teiltief behält es jedoch immer die räumliche Nähe zu seinem
"Schöpfer" bei und wird im weiteren Verlauf auf der zyklonalen
Zugbahn entgegen des Uhrzeigersinns förmlich in dessen Zentrum
"gesaugt" und ersetzt dieses.

Nun könnte man natürlich meinen: "Tief ist Tief und bringt meistens
schlechtes Wetter. Was stört es mich, um welche Art genau es sich
handelt?" Das wäre aber zu kurz gedacht, denn auch als "Laie" lassen
sich bei Kenntnis Risiken und Unsicherheiten bestimmter
Vorhersageparameter wie Wind und Niederschlag abschätzen. Gerade für
uns Vorhersagemeteorologen stellen beide Unterarten eine große
Herausforderung dar. Durch das ausscherende Verhalten der Teiltiefs
wird deren genaue Zugbahn von den Vorhersagemodellen mitunter nur
unzureichend simuliert. Von Modell zu Modell können dabei große
Diskrepanzen auftreten, die die Prognose erschweren. Aus "heiter und
trocken" kann dabei ortsbezogen schnell "bedeckt, windig und
regnerisch" werden.

Bei den Randtiefs ist die Zugbahn zwar auch mit Unsicherheiten
behaftet, aber nicht der ausschlaggebende Punkt. Vielmehr ist der
zeitliche Ablauf infolge der dynamischen Entwicklungsgeschichte
schwer zu erfassen, womit beispielsweise Sturm und Regen zwar gut
vorhergesagt wurden, nur eben 6-12 Stunden früher einsetzten als
ursprünglich erwartet. Auch die Intensität des Tiefs kann dabei stark
variieren. Zeitlich und räumlich unterschiedliche Konstellation haben
entsprechende Auswirkungen auf die Entwicklungsbedingungen des Tiefs,
so dass von den Modellen nicht selten die komplette Bandbreite von
einem nur flachen Wellentief (schwache Entwicklung) bis hin zu einem
ausgewachsenen Sturmtief (starke Entwicklung) abgedeckt wird.

Ein besonders schönes Exemplar eines zentralen, steuernden Tiefs ist
BIANCA, die sich am morgigen Mittwoch mit einem Kerndruck unter 940
hPa über dem Europäischen Nordmeer tummeln wird. An dessen Südflanke
entwickelt sich westlich des Englischen Kanals das Randtief CLARA,
das uns am Donnerstag mit Regenfällen versorgen wird. Damit ist klar:
Es wird alles, nur nicht winterlich. Im Gegenteil: In CLARAs
Warmsektor lauern zweistellige Höchstwerte bis zu 15 Grad auf uns und
mit der westlichen Strömung vom Atlantik wird jedes noch so kleine
Kaltluftpolster nicht nur über Mitteleuropa, sondern auch über
Skandinavien und Westrussland sofort wieder ausgeräumt. Eine
Umstellung der Großwetterlage ist weiterhin nicht absehbar, sodass
hartgesottene Winterfans weiter Frust schieben. Petrus, wie wäre es
mal mit einem netten Schneetief? Wohl erst wieder zu Ostern??


Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.01.2020

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