Thema des Tages

19-01-2020 08:50

Der Boden vergisst nicht

Wie steht es nach den trockenen Jahren 2018 und 2019 aktuell um
unsere Böden? Gerade in der Osthälfte Deutschlands ist der Zustand
teilweise immer noch verheerend.

"Doch Haus Mormont vergisst nicht. Der Norden vergisst nicht. Wir
kennen keinen König außer den König des Nordens dessen Name Stark
ist. [?]" Es sind unter anderem Gänsehautmomente wie diese, als die
gerade einmal 10-jährige Lady Mormont John Schnee die Treue schwört,
die die Fantasyserie "Game of Thrones" für viele Fans so
unnachahmlich macht. Bezogen auf die äußerst trockenen Jahre 2018 und
2019 hierzulande, in denen vor allem im Osten nur rund zwei Drittel
(je nach Region etwa 400 mm) des sonst üblichen Jahresniederschlags
gefallen sind, müsste man eher formulieren: Der Osten vergisst nicht
- oder besser, um politischen Missverständnissen vorzubeugen - der
Boden vergisst nicht.

Doch warum eigentlich? In der Bodenkunde (Fachausdruck: Pedologie)
unterteilt man das komplette Bodenprofil in mehrere Bereiche
(Horizonte). Die oberste und fruchtbarste Schicht ist der sogenannte
Ober- oder Mutterboden, der hierzulande etwa bis in eine Tiefe von 20
bis 30 cm reicht. Neben den mineralischen Hauptbestandteilen
(Feinsand, Schluff und Ton) enthält er, im Gegensatz zu tiefer
liegenden Bodenhorizonten, einen hohen Anteil an Nährstoffen
(insbesondere Stickstoff) und organischer Substanz (Humus) sowie eine
große Menge an Bodenlebewesen (Mikroorganismen). Der Oberboden
reagiert vergleichsweise schnell auf kurzfristige
Niederschlagsereignisse und hatte sich insbesondere dank des
überdurchschnittlich nassen Oktobers letzten Jahres (in Hannover
beispielsweise fielen mit über 100 mm mehr als das Doppelte des sonst
üblichen Monatsniederschlags) rasch von der sommerlichen Dürre
erholt.

Für die darunterliegenden Schichten (mineralischer Unterboden), der
sich bis knapp 1 Meter Tiefe anschließt und hauptsächlich aus
verwittertem Gestein und ausgewaschenen Mineralien besteht, gilt das
nicht mehr unbedingt. Erst recht nicht für das sich tiefer
anschließende Ausgangsgestein, bis an deren Obergrenze der Großteil
der Pflanzen wurzelt. Auf den vom Helmholtz-Zentrum für
Umweltforschung veröffentlichten Darstellungen (UFZ-Dürremonitor)
sieht die Lage für den Gesamtboden (bis in Tiefen von ca. 1,8 Metern)
in weiten Teilen des Landes immer noch dramatisch aus. So dominieren
vor allem in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Ostbayern
weiterhin tiefrote Farben, die von einer außergewöhnlichen Dürre
zeugen. Doch damit nicht genug: Durch die erneute Niederschlagsarmut
der letzten Wochen, bei der seit Jahresbeginn gerade in
Süddeutschland, aber auch in der Lausitz kaum 10 bis 20 Liter pro
Quadratmeter gefallen sind (teils deutlich darunter, siehe Grafik),
leiden sogar die Oberböden schon wieder unter einer beginnenden
Dürre. Lediglich im Südwesten und nördlich des Nord-Ostsee-Kanals ist
die Situation einigermaßen entspannt.

Neben der Niederschlagssumme spielt auch das Speichervermögen der
Böden eine wichtige Rolle. Gerade von der Lüneburger Heide bis zur
Oder und Neiße sind häufig leichte Sandböden anzutreffen. In den
luftigen Zwischenräumen der lockeren Sandkörner kann das Wasser zwar
schnell eindringen, genauso schnell aber auch versickern oder
verdunsten. Im Gegensatz dazu können schwere Lehmböden das Wasser
viel besser speichern.

Was müsste zur Linderung geschehen? Es braucht vor allem großflächige
und länger anhaltende Niederschläge, die die Böden nachhaltig
durchfeuchten. Das Defizit beträgt regional akkumuliert aus den
Jahren 2018 und 2019 teilweise schon einen ganzen Jahresniederschlag.
Mehrere (deutlich) zu nasse Monate in Folge würden Abhilfe schaffen.
Der Trend zu stark meridional geprägten Wetterlagen mit nur
vereinzelten, dann aber lokal heftigen Starkregenfällen im
Sommerhalbjahr lässt für die besonders betroffenen Regionen auch 2020
Schlimmes befürchten. Daher sind gerade die nächsten Wochen und
Monate besonders entscheidend, bevor auch die Verdunstung bei höherem
Sonnenstand wieder deutlich an Fahrt aufnimmt. Im seriösen
Betrachtungszeitraum bis zum Monatswechsel (erweiterte Mittelfrist)
stehen die Zeichen leider (mal wieder) auf trocken.

Was wären die Folgen, sollte es auch 2020 so weitergehen? Das ist
selbst für Experten kaum abzuschätzen. Schon jetzt liegen
trockenheitstolerante Kulturen wie Hafer, Hirse und Linsen bei den
Landwirten voll im Trend. Um die hiesigen Waldbestände muss man sich
weiter große Sorgen machen. Jahresringe deuten schon auf länger
anhaltenden Stress der Bäume durch Trockenheit, Krankheit und
Schädlinge hin. Vor allem die Fichte stirbt auf immer größeren
Arealen ab, aber auch Kiefern, Eichen und Buchen geht es schlecht.
Der Waldbesitzerverband plädiert nun für mehr Vielfalt (mehr
Mischwälder) und die Aufforstung durch trockenresistente Arten wie
die nordamerikanische Küstentanne oder die Douglasie. Doch alles
braucht seine Zeit und die Erholung des Waldes wird auch bei einer
feuchteren Witterung nicht von heute auf morgen vonstattengehen. Denn
Bäume haben ähnlich wie die Böden ein langes Gedächtnis.


Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.01.2020

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