Thema des Tages

31-01-2020 09:20

Westwetter-Winterkiller

Winter adé - jetzt kommt die Westwetterlage: Es wird nass, mild und
windig. Und damit geht es dem Schnee im Bergland mächtig an den
Kragen.

Eins muss man dem Winter zugutehalten: Er versucht es zumindest! Ein
kleines Winterintermezzo brachte den höheren Mittelgebirgslagen und
den Alpen zu Wochenbeginn etwas Schnee. Regional konnte man sich also
endlich mal wieder die Bretter unter die Füße schnallen und sich
damit auf die Piste wagen. Doch der Winterspaß findet ein jähes Ende,
selbst in den Alpen werden sich die Bedingungen in den kommenden
Tagen wohl rapide verschlechtern. Denn er ist zurück, der
Wiederholungstäter auf der europäischen Wetterbühne: Die zyklonale
Westlage hält Einzug und beschäftig uns bis zu Beginn der kommenden
Woche.

Die Westlage ist der reinrassige Vertreter der Wetterlagen mit
zonaler Zirkulationsform, was bedeutet, dass die Strömung eine
vorwiegend westliche ist. Mit der Westströmung wird fortwährend milde
bis sehr milde Atlantikluft nach Deutschland geführt. Temperaturen um
oder gar über 15 Grad bei zugleich sehr milden Nächten werden keine
Seltenheit sein. Zu allem Überfluss sorgt der zyklonale Bruder der
Westlagen dafür, dass sich auch immer wieder Tiefausläufer die Ehre
geben, die nicht nur wiederholt Niederschläge bringen, sondern den
Wind zeitweise auch stark bis stürmisch auffrischen lassen. Die
"Warmluftdüse" treibt die Nullgradgrenze - und damit natürlich auch
die Schneefallgrenze -weit nach oben. Sie liegt teilweise deutlich
über 2000 Meter.

Regen, Wind und Wärme - eine Wetterkombination, die man getrost als
den "Schneefresser" schlechthin bezeichnen darf. In der
meteorologischen Terminologie spricht man ganz nüchtern von
"Tauwetter". Dieses über mehrere Tage anhaltenden Tauwetter lässt nun
den Schnee dahinschmelzen und sorgt nicht nur für Verärgerung bei den
Wintersportlern, sondern auch für eine gewisse Halbachtstellung bei
den Hydrologen. Denn dort, wo zu den ergiebigen Regenfällen noch das
Schmelzwasser hinzukommt, können sehr erkleckliche Wassermengen
zusammenkommen, die die Pegel der Bäche und Flüsse rasch ansteigen
lassen. Die Hydrologen sprechen dabei gerne auch vom
"Niederschlagsdargebot".

Die Wettermodelle sehen übereinstimmend einen
Niederschlagsschwerpunkt in der Südhälfte. Modellübergreifend werden
bis Dienstagabend verbreitet 30 bis 60 l/qm simuliert. In Staulagen
der Mittelgebirge fällt natürlich noch mehr, 60 bis 80 l/qm scheinen
durchaus wahrscheinlich. Den Vogel abschießen werden voraussichtlich
der Schwarzwald und Teile des Alpenrandes, wo Mengen um oder über 100
l/qm nicht ausgeschlossen werden können. In der Schneedecke im
höheren Bergland sind je nach Höhenlagen 10 bis 30 l/qm, in den
Gipfellagen und in den Alpen mitunter natürlich noch deutlich mehr
Wasser "gespeichert". Zumindest in den Mittelgebirgen und in tieferen
Lagen der Alpen wird der Schnee komplett wegschmelzen, sodass diese
Wassermenge zu den Niederschlagsmengen hinzukommt.

Wirklich kritisch ist die Warnlage im Hinblick auf warnwürdige
Niederschlagsdargebote voraussichtlich erst ab Sonntag. Denn dann
fällt tatsächlich ein größerer Teil der erwähnten Niederschlagsmengen
und auch die Schneedecke, sofern sie noch vorhanden ist, ist dann
nicht mehr so locker und "wasseraufnahmefähig" wie zurzeit. Ob das
Tauwetter tatsächlich in eine Hochwasserlage mündet, muss abgewartet
werden. Noch sind die Vorhersagen mit gewissen Unsicherheiten
behaftet.

Zur Wochenmitte ist das "Westwetter" erst mal passé, denn rückseitig
einer Kaltfront dreht die Strömung auf Nord und die Niederschläge
gehen zunächst im Bergland, vielleicht sogar bis in tiefere Lagen
wieder in Schnee über.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.01.2020

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