Thema des Tages

04-02-2020 14:20

Eine brisante Wetterlage geht zu Ende

In den vergangenen Tagen war insbesondere in der Südhälfte
Deutschlands einiges geboten: Dauerregen und Tauwetter, schwerer
Sturm und Gewitter. Im heutigen Thema des Tages blicken wir zurück
und ziehen Bilanz.

Los ging es bereits am Samstag. Mit einer westlichen Strömung zogen
Frontensysteme über Deutschland und bescherten vor allem den
mittleren und westlichen Landesteilen einen verregneten Samstag. Auch
im Schwarzwald setzte intensiver Regen ein. Am Abend formierten sich
schließlich entlang einer Kaltfront knapp südlich der Mosel kurz
hintereinander zwei kräftige Schauer- und Gewitterlinien. Diese
überlebten bis Sonntagmorgen und zogen von der Pfalz über Südhessen
und den Norden Baden-Württembergs weiter nach Mittelfranken und
erreichten nach Mitternacht Niederbayern. Entlang dieser Linie
schüttete es kurzzeitig heftig, sodass es zu mehreren Unfällen wegen
Aquaplaning kam. Noch markanter war allerdings der Sturm. Schwere
Sturmböen um oder über 90 km/h lösten Dachpfannen von Hausdächern,
große Äste brachen ab und etliche Bäume stürzten um. Sogar
Stromleitungen wurden beschädigt. Stolze 2000 Mal blitzte es
innerhalb von 6 Stunden - ein im Winter beachtlicher Wert!

Am Sonntag übernahmen dann die Frontensysteme des Tiefs OTTILIA
nordwestlich von Irland das Wetterregime in Deutschland. Von
Südwesten setzte neuer Regen ein und breitete sich nordostwärts aus.
Die nachfolgende Kaltfront fühlte sich in der Nacht zum Montag und am
gestrigen Montag über Süddeutschland anscheinend richtig wohl. Da sie
als Luftmassengrenze zonal und damit fast strömungsparallel quer über
Süddeutschland zum Liegen kam, sorgte sie dort für kräftigen
Dauerregen. Besonders ergiebig schüttete es in Weststaulagen der
südlichen Mittelgebirge sowie im südlichen Alpenvorland. Dort kamen
innerhalb von 24 Stunden bis Montagfrüh vielerorts bereits 30 bis 40
Liter pro Quadratmeter (l/qm), am Alpenrand und im Oberallgäu sogar
50 bis 70 l/qm zusammen. Noch mehr Regen fiel im Schwarzwald, der
sich den von West nach Ost durchziehenden Regenwolken förmlich in den
Weg stellte und die Wolken zu einem noch stärkeren Abregnen zwang. So
prasselten dort innerhalb von nur 24 Stunden verbreitet 40 bis 100
l/qm vom Himmel. Spitzenreiter war Baiersbronn-Ruhestein mit 106
l/qm.

Da auf der Südseite der Luftmassengrenze zudem sehr milde
subtropische Luftmassen zu uns geführt wurden, stieg die
Schneefallgrenze auf über 2000 Meter, sodass zudem im Hochschwarzwald
und in den Alpen Tauwetter für einen zusätzlichen Wassereintrag in
die Bäche und Flüsse führte. Da ist es kaum verwunderlich, dass
bereits am gestrigen Vormittag an zahlreichen Pegeln im Schwarzwald,
entlang der Alb und teils auch im Alpenvorland erhöhte Wasserstände
registriert wurden. Tagsüber regnete es entlang der schleifenden
Kaltfront in Süddeutschland unaufhörlich weiter, wodurch vor allem
die Pegel der Bäche und Flüsse südlich der Donau weiter anstiegen.

Das sollte es aber noch nicht gewesen sein. Am gestrigen Montagabend
entwickelte sich an der Luftmassengrenze das kleinräumige, aber
giftige Tief PETRA, das in der Nacht ausgehend vom Saarland über
Nord-Württemberg rasch ostwärts nach Tschechien zog. Im Bereich der
Zugbahn des Tiefkerns und an der nachfolgenden Kaltfront
intensivierten sich die Niederschläge abermals erheblich, sodass dann
auch in Rheinland-Pfalz, Südhessen und Franken einige Pegel rasch
anstiegen. Noch gefährlicher wurde die Wetterlage, je weiter sich die
Kaltfront den Alpen näherte. Eingekeilt zwischen Kaltfront und Alpen
wurde der Wind wie in einer Düse stark beschleunigt (sogenannter
Leitplankeneffekt), sodass es südlich der Donau verbreitet zu
schweren Sturmböen kam. Zudem wehten in etwa einem Kilometer über dem
Grund extreme Orkanwinde. Da sich über Baden-Württemberg und der
Südhälfte Bayerns an der Kaltfront eine schmale Schauerlinie bildete,
konnten die hohen Windgeschwindigkeiten bis zum Boden
heruntergemischt werden. Dadurch kam es bis in tiefe Lagen
stellenweise zu orkanartigen Böen (z.B. Heilbronn: 107 km/h, Harburg:
110 km/h, Mühldorf am Inn: 110 km/h, Lindau: 115 km/h), in höheren
Lagen sowie im südlichen Alpenvorland wehte der Wind teils mit voller
Orkanstärke (z.B. Stötten: 121 km/h, Altenstadt: 122 km/h, Zugspitze:
145 km/h). Folglich mussten die Feuerwehren vielerorts wegen
umgestürzten Bäumen und abgedeckten Dächern ausrücken, in Oberbayern
mussten mehrere Zuglinien wegen umgestürzter Bäume gesperrt werden
und der Münchner S-Bahn-Verkehr wurde eingestellt.

In den letzten 48 bis 72 Stunden kamen teils immense Regensummen
zusammen. So fielen im Schwarzwald zwischen 100 und knapp 200 l/qm
(z.B. Baiersbronn-Ruhestein: 193 l/qm, Dachsberg-Wolpadingen: 181
l/qm), im Alpenvorland kamen verbreitet 60 bis 120 l/qm, stellenweise
auch mehr zusammen (z.B. Balderschwang/Allgäu: 139 l/qm,
Marktschellenberg/Berchtesgadener Land: 127 l/qm). Auch in weiteren
Weststaulagen der südlichen und westlichen Mittelgebirge summierten
sich die Mengen vielerorts auf 50 bis 80 l/qm.

Mittlerweile ist hinter der Kaltfront mit einer nordwestlichen
Strömung kältere Meeresluft polaren Ursprungs eingeflossen und die
Wetterlage hat sich entspannt. Schneeregen-, Schnee- und
Graupelschauer erinnern wieder mehr an Winter, wenngleich sich im
Flachland keine Schneedecke ausbilden kann. Nur im Stau vom
Erzgebirge sowie in den Alpen schneit es anhaltend und teils kräftig.
An den Nordhängen des Erzgebirges können durchaus über 30 cm, in den
Alpen sogar ein halber Meter Neuschnee fallen. Bis Mittwochabend
lässt auch dort der Schneefall nach. Dann können Winterurlauber bei
ruhigem Hochdruckwetter den Neuschnee genießen.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.02.2020

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