Thema des Tages

14-02-2020 08:50

Expedition zur Sonne

Vor wenigen Tagen ist die europäische Raumsonde "Solar Orbiter"
erfolgreich zu ihrer Mission gestartet. Rund zehn Jahre lang soll sie
neue Erkenntnisse über die Sonne und den Sonnenwind sammeln - und
damit auch zu einer Verbesserung der Vorhersage des Weltraumwetters
führen.


Montagmorgen 5 Uhr (MEZ), Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida:
Es herrscht gespannte Aufregung am Weltraumbahnhof, in wenigen
Minuten wird die "Atlas V 411" - Rakete ins All abheben. Was schon
allein spannend genug ist, wird durch den weiblichen "Stargast" an
Bord noch getoppt: Erst 4 Monate ist sie alt, bringt aber schon satte
1,8 Tonnen auf die Waage und an ihrer Zeugung waren - nun ja -
mehrere Personen beteiligt. Ihren Kleidungsstil könnte man als
gleichermaßen elegant wie funktionell beschreiben, trägt sie doch
einen schwarzen Mantel aus Titan. Dieser dient als hochwertiger
Hitzeschutz (was für den meist blassen Teint von Reisenden
europäischer Abstammung ohnehin empfehlenswert ist), allerdings würde
an ihrem Reiseziel auch jegliche Sonnencreme versagen. Die für lange
Urlaubsfahrten typische "Wann sind wir da?" - Frage ließe sich ihr
entweder mit einem klassischen "bald" beantworten - oder mit einem
ehrlicheren "in dreieinhalb Jahren".

"Solar Orbiter" - so der Name unserer kürzlich gestarteten
Langstreckenfliegerin - ist eine Raumsonde und ihre Sonnenmission die
bislang ambitionierteste der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Von
den rund 150 Millionen Kilometern zwischen Erde und Sonne soll sie
bis auf 42 Millionen Kilometer an den "Feuerball" heranfliegen. Ein
kurzes Lebenszeichen via Radiosignal an ihre vielen Fans auf der Erde
wird dann 16,5 Minuten brauchen.

Umwege, Verschnaufpausen oder einfach mal machen, worauf sie Lust
hat, werden der Sonde auf ihrer Reise jedoch verwehrt: Sie wird
"fremdgesteuert", und zwar vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum
in Darmstadt. Um so nah an die Sonne heranzukommen, muss die
Raumsonde die Bahnebene der Erde verlassen, was eine weitere
Besonderheit dieser Mission ist: Denn fast alle ihrer
Sonden-Kolleginnen, die bisher Messdaten von der Sonne gesammelt
haben, flogen in der Ebene, in der die Erde um die Sonne kreist.
Ihnen bot sich also ein ähnlicher Blick wie allen erdgebundenen
Sonnenteleskopen - mitten auf den "Bauch" der Sonne. So blieben die
Pole der Sonne bisher nahezu unerforscht.

Eine der Hauptaufgaben der neugierigen Reisenden lautet also: Neue
Regionen ausspähen und möglichst viele Bilder knipsen! Außerdem soll
sie mithilfe von zehn Instrumenten die turbulente Sonnenoberfläche,
deren heiße äußere Atmosphäre und den Sonnenwind ins Visier nehmen.

Denn zuhause brennen ihren Fans und Astrophysikern viele Fragen auf
der Brust: Wie entsteht das Magnetfeld der Sonne tief in ihrem
Innern? Durch welche magnetischen Prozesse gelingt es der Sonne, die
Korona auf unvorstellbare eine Million Grad zu heizen? Und wie
katapultiert sie die Sonnenwindteilchen mit Geschwindigkeiten von
teilweise mehr als 700 Kilometern pro Sekunde ins All?

Ganz schön große Erwartungen lasten also auf den Schultern der jungen
"Späherin". Dabei sind sich Forscher recht einig, dass die Pole der
Sonne das bisher noch fehlende Puzzleteil bei all den offenen Fragen
sind. Denn die Pole seien, so Prof. Sami Solanki, Direktor des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung, "der Schlüssel zum
Magnetfeld. Und dieses Magnetfeld treibt alles andere an, die
Eruptionen, die heiße Korona und die Sonnenwinde".

Sonnenwinde bzw. Sonnenstürme, bei denen geladene Teilchen von der
Sonne ins All strömen, haben auch Auswirkungen auf die Erde: Im
Positiven das Naturschauspiel der Polarlichter - die man also quasi
als die optisch schöne Seite des "Weltraumwetters" bezeichnen könnte.
Bei sogenannten "koronalen Massenauswürfen", einer Sonneneruption,
bei der Plasma in einer Größenordnung von mehreren zehn Milliarden
Tonnen Masse in den Weltraum geschleudert wird, schwillt der sonst
relativ konstant wehende Sonnenwind jedoch zu regelrechten Stoßwellen
an. Das kann dann Satelliten, Navigationssysteme und auch
Flugzeugelektronik stören oder Stromausfälle verursachen.

Bislang bleibt eine Vorwarnzeit von nur wenigen Stunden nach solch
einer Sonneneruption. Ein weiteres Ziel der "Solar Orbiter" ist es
also, die Vorhersagen des Weltraumwetters zu verbessern. Wir wünschen
der Sonde viel Erfolg und einen guten Flug! - Und wenden uns derweil
wieder dem "irdischen Wetter" zu ?


Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.02.2020

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