Thema des Tages

28-02-2020 09:50

BIANCA - die Weiße!

Tief BIANCA brachte einigen Regionen Deutschlands gestern und in der
vergangenen Nacht den ersten Schnee des Winters. Im Süden machte sie
auch mit Sturm auf sich aufmerksam.

BIANCA - so heißt das Tief, das am gestrigen Donnerstagnachmittag und
in der vergangenen Nacht über die Mitte Deutschlands wirbelte und für
allerhand Wetterkapriolen sorgte. Sie machte ihrem Namen alle Ehre,
dieser stammt nämlich vom italienischen Wort "bianco" (zu Deutsch:
weiß) ab, "Bianca" bedeutet also "die Weiße". Tatsächlich bescherte
BIANCA manchen Regionen Deutschlands das erste "Weiß" des Winters,
und das gerade noch rechtzeitig, denn am kommenden Sonntag ist
bereits meteorologischer Frühlingsanfang.

Bis vor zwei Tagen gab es noch Unsicherheiten, wo genau Tief BIANCA
über die Mitte Deutschlands ziehen würde (siehe Thema des Tages vom
26. Februar), wenngleich die Unterschiede zwischen dem amerikanischen
Modell GFS, dem deutschen Modell ICON und dem europäischen Modell IFS
zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr so groß waren. GFS ließ das Tief
nur etwa 100 km weiter nördlich durchziehen als ICON, doch schon
diese geringen Unterschiede wären fürs Wettergeschehen nicht
unerheblich gewesen. So würde es bei der nördlicheren Zugbahn im
Rhein-Main-Gebiet heftig stürmen, während bei der ICON-Variante dort
nur ein laues Lüftchen wehen würde. Auch für Niederschlagsphase
(Regen oder Schnee) wäre die Zugbahn entscheidend. In diesem Fall
hatten ICON und IFS den richtigen Riecher. Das Zentrum von Tief
BIANCA erreichte am Nachmittag das Saarland und zog am Abend und in
der Nacht über den Norden Baden-Württembergs weiter zur Oberpfalz.

BIANCA lud eine ordentliche Packung Schnee ab. Sie schob nämlich eine
Warmfront mit einem ausgedehnten Niederschlagsgebiet vor sich her,
das sich an der Nordseite des Tiefkerns um das Tief wickelte. Und
dieser Niederschlag fiel - man mag es in diesem Winter kaum glauben -
tatsächlich überwiegend als Schnee! Bereits am Mittag setzte im
Westen Schneefall ein. In tieferen Lagen regnete es zunächst noch,
doch die Niederschlagsabkühlung sorgte dafür, dass die
Schneefallgrenze allmählich bis in die Niederungen sank. Während es
an Rhein und Mosel meist nur für eine dünne Matschschneedecke auf
Dächern und Wiesen reichte oder der Schnee(regen) gar nicht so
richtig liegenbleiben wollte, wurde es in der Eifel, dem Hunsrück und
dem Pfälzerwald oberhalb von 200 bis 300 m tief winterlich. Dort
kamen bis zum Abend innerhalb weniger Stunden 10 bis 15 cm,
stellenweise auch um 20 cm Neuschnee zusammen. Am Nachmittag begann
es dann auch im Taunus, in der Rhön und in den fränkischen
Mittelgebirgen sowie in Baden-Württemberg kräftig an zu schneien.
Später wurde es selbst am Mittelrhein weiß.

Auch die Meteorologen der Vorhersage- und Beratungszentrale in
Offenbach (den Autor eingeschlossen) blickten am Nachmittag gebannt
aus dem Fenster. Gegen 17 Uhr war es dann endlich soweit: Der Schnee
blieb liegen und somit konnten die Mainzer, Frankfurter und
Offenbacher die erste dünne Schneedecke dieses Winters im
Rhein-Main-Gebiet bestaunen.

Ab dem Abend wurde es auch im Norden und Osten Bayerns und in Teilen
von Thüringen bis in die Täler weiß. In den Mittelgebirgen türmten
sich die Schneemassen vielerorts auf 10 bis 20 cm. Bei Autofahrern im
abendlichen Berufsverkehr kam allerdings keine Freude auf.
Winterliche Straßenverhältnisse hatten zahlreiche Staus auf den
Autobahnen zur Folge. LKWs stellten sich quer, am späten Abend
stockte der Verkehr auf der A9 nordöstlich von Nürnberg zeitweise auf
einer Länge von etwa 40 Kilometern.

Doch BIANCA hatte noch mehr als nur Schnee zu bieten. Südwestlich des
Tiefkerns tobte ein heftiger Sturm. Am Abend und in der Nacht kam es
in großen Teilen von Baden-Württemberg sowie in der Südhälfte Bayerns
verbreitet zu schweren Sturmböen. Gebietsweise wurden sogar
orkanartige Böen gemessen (z.B. am Oberrhein, in der Bodenseeregion
und im Alpenvorland), auf den Höhen der Alb sowie im Chiemgau traten
sogar Orkanböen über 120 km/h auf. Umgestürzte Bäume und blockierte
Straßen und Bahnlinien waren die Folge. Über die Schwarzwaldgipfel
fegten am Abend sogar extreme Orkanböen (siehe auch Liste am Ende).
Dadurch kam es in den Hochlagen der südlichen Mittelgebirge sowie in
den Alpen auch zu Schneeverwehungen. Zu guter Letzt bildeten sich in
Bayern und Baden-Württemberg sogar einige Gewitter mit
"schneesturmartigen" Verhältnissen.

Mittlerweile ist BIANCA nach Osteuropa abgezogen und das Wetter hat
sich wieder beruhigt. Der Schnee wird nur ein kurzes Gastspiel
gewesen sein. Schon heute Abend zieht von Westen her eine massive
Warmfront auf und schaufelt sehr milde Luft nach Deutschland. Zu
Beginn kann es im Bergland nochmal kurzzeitig schneien, allerdings
steigt die Schneefallgrenze rasch bis in die Gipfellagen der
Mittelgebirge. Am morgigen Samstag ist bei Temperaturen von 9 bis 17
Grad das Winterintermezzo wieder zu Ende.

Zum Abschluss noch eine Auswahl an gemessenen Böen und
Neuschneemengen:

Spitzenböen:

Feldberg (Schwarzwald): 165 km/h - Hornisgrinde (Schwarzwald): 153
km/h - Frasdorf-Greimelberg (Chiemgau): 125 km/h - Stötten (Alb): 121
km/h - Chieming (Chiemgau): 120 km/h - Freudenstadt (Schwarzwald):
113 km/h - Lindau (Bodensee): 111 km/h - Mühldorf am Inn: 107 km/h -
Friedrichshafen (Bodensee): 107 km/h - München-Flughafen: 107 km/h

Neuschnee:

Monschau (Eifel, 535 m): 22 cm - Dahlem-Schmidtheim (Eifel, 573 m):
16 cm - Bruchweiler (Hunsrück, 548 m): 21 cm - Hahn (Hunsrück, 497
m): 17 cm - Oberzent-Beerfelden (Odenwald, 450 m): 17 cm -
Schollbrunn (Spessart, 408 m): 23 cm - Ruppertshütten (Spessart, 370
m): 22 cm - Plech (Fränkische Alb, 443 m): 19 cm - Weiden (Oberpfalz,
440 m): 17 cm - Wattendorf (Fränkische Schweiz, 522 m): 12 cm


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.02.2020

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst