Thema des Tages

09-03-2020 09:20

Hat das Wetter einen Einfluss auf den neuen Coronavirus?

Der neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist derzeit im wahrsten Sinne
des Wortes in aller Munde. In einigen Nachrichten werden auch
Zusammenhänge mit dem Wetter dargestellt, beispielsweise soll durch
das kommende Frühlings- und Sommerwetter die Epidemie eindämmt
werden. Aber was davon stimmt?

Seit Anfang des Jahres "wütet" der neuartige Coronavirus SARS-CoV-2
("Severe Acute Respiratory Syndrome"-Coronavirus-2; dt. "Schweres
Akutes Atemwegssyndrom") mit mittlerweile fast weltweiter
Ausbreitung. Für die durch den Virus ausgelöste Lungenkrankheit
Covid-19 ("Corona Virus Disease 2019") gab es am heutigen
Montagmorgen weltweit über 110.000 bestätigte Fälle und mehr als
3.800 Tote. In Deutschland wurden bisher rund 1000 Fälle registriert,
aber hierzulande glücklicherweise noch keine Toten. Eine weitere
Ausbreitung des Virus ist sicher.

Nun spekulieren einige Wissenschaftler, dass das Wetter einen
Einfluss auf die weitere Ausbreitung haben könnte. Dabei haben manche
Forscher die Hoffnung, dass der nun beginnende Frühling und der
nachfolgende Sommer auf der Nordhalbkugel die Verbreitung zunehmend
aufhalten. Kann das Wetter den Virus tatsächlich stoppen oder
zumindest eindämmen?

Allgemein gilt, dass die meisten Viren bei Kälte länger überleben als
bei Hitze. Es gibt aber auch Viren, denen Hitze nichts ausmacht,
beispielsweise der das Dengue-Fieber auslösende Virus in tropischen
Regionen. Eine Studie zur SARS-Coronavirus Pandemie 2003 zeigte, dass
Coronaviren schneller inaktiv werden, je höher die Temperatur und
desto feuchter die Luft ist (vgl. "The Effects of Temperature and
Relative Humidity on the Viability of the SARS Coronavirus", K.H.
Chan et al., 2010; https://www.hindawi.com/journals/av/2011/734690/).
Der Studie zufolge konnte der Effekt bei einem Vergleich von
raumluftähnlichen Bedingungen (22 bis 25 Grad, 40 bis 50 %
Luftfeuchtigkeit) mit tropischen Bedingungen (38 Grad, über 95 %
Luftfeuchtigkeit) gefunden werden. Bei raumluftähnlichen Bedingungen
überlebt der Virus auf Gegenständen allerdings noch bis zu 5 Tage.

Für den aktuellen Coronavirus liegen zwar noch keine Studien vor,
dennoch könnte es tatsächlich einen Zusammenhang geben: So liegen die
Fallzahlen auf der Südhalbkugel, wo gerade Sommer ist, niedriger als
auf der Nordhalbkugel (siehe dazu die Weltkarte der bestätigten Fälle
vom Johns Hopkins CSSE unter https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7
594740fd40299423467b48e9ecf6).
Ähnlich wie Temperatur und Feuchtigkeit mindert auch UV-Strahlung die
Aktivität von Viren (vgl. "Far-UVC light: A new tool to control the
spread of airborne-mediated microbial diseases", Welch et al., 2018;
https://www.nature.com/articles/s41598-018-21058-w). Offenbar wirkt
UV-Strahlung auch auf Coronaviren, ob sie jedoch einen Effekt auf
SARS-CoV-2 hat, ist bisher noch nicht bewiesen.

Neben diesen beiden direkten Mechanismen über die Wetterparameter
gibt es allerdings noch weitere Punkte zu beachten. So halten sich
Menschen in der kalten Jahreszeit vermehrt in geschlossenen Räumen
auf, dort ist die Luft aber meist trockener als draußen und daher
günstiger für die Überlebenschancen des Virus. Neben der erhöhten
Ansteckungsgefahr durch engeren Kontakt mit infizierten Personen
verteilen sich die Tröpfchen in der trockenen Raumluft besser, sodass
man sich durch Schmierinfektionen an Gegenständen infizieren kann.
Des Weiteren sind die Schleimhäute der Menschen im Winter
normalerweise anfälliger für Viren, weil die Durchblutung bei Kälte
schlechter ist.

Als Fazit lässt sich sagen, dass die Auswirkungen des Wetters auf den
neuartigen Coronavirus noch unklar sind. Es besteht aber durchaus
Hoffnung, dass zunehmend wärmeres und sonniges Wetter die Ausbreitung
zumindest auf der Nordhalbkugel abschwächt. Allerdings würde dies
voraussichtlich mit einer Zunahme der Fälle auf der Südhalbkugel
"erkauft" werden. Außerdem könnte der Virus im Herbst in einer
zweiten Welle bei uns zurückschlagen, wobei wir bis dahin durch das
Sommerwetter immerhin Zeit gewinnen könnten. Damit steigt die
Hoffnung auf einen Impfstoff oder einen antiviralen Wirkstoff, an
denen die Wissenschaftler derzeit fieberhaft basteln.

Dipl.-Met. Simon Trippler
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 09.03.2020

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