Thema des Tages

10-03-2020 09:20

Mikroklimatologie

Mikroklimatologie ? die kleine Schwester der Klimatologie? Oder was
kann man sich darunter vorstellen? Und welche Faktoren spielen beim
Mikroklima eine Rolle?

Das Klima, also der durchschnittliche Zustand der Atmosphäre an einem
bestimmten Ort oder in einem größeren Gebiet, lässt sich allgemein in
das Makro-, Meso- und Mikroklima einteilen (Weischert/Endlicher
2008). Während sich das Makroklima um die globale Zirkulation der
Atmosphäre dreht, betrachtet man beim Mesoklima regionale
Erscheinungen wie zum Beispiel Gewitter oder Stürme. Vom Mikroklima
hingegen spricht man bei klimatischen Ereignissen auf der kleinsten
Skala. Diese können eine horizontale Ausdehnung von wenigen
Millimetern bis einigen hundert Metern haben und bis zu 30 Minuten
andauern (nach Orlanski 1975). Natürlich ist das Mikroklima nicht
unabhängig von Geschehnissen auf den größeren Skalen, sie sind zu
jeder Zeit miteinander verknüpft.

Die Mikroklimatologie erforscht und analysiert, welche
Wechselwirkungen zwischen dem Erdboden und der darüber liegenden
Luftschicht bestehen. Aus diesem Grund sind insbesondere
unterschiedliche Oberflächen interessant. Dazu zählen die Art der
Bodenbedeckung, bestimmte Eigenschaften des Bodens und die
Oberflächenstruktur, auch Mikrorelief genannt. Je nachdem, ob eine
Fläche zum Beispiel als Acker, Wald oder Wiese genutzt wird oder mit
Häusern bebaut ist, ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen.

Die Mikroklimatologinnen und Mikroklimatologen verwenden spezielle
Messtechniken, um zum Beispiel den Strahlungsumsatz oder die
Wärmeflüsse an den verschiedenen Oberflächen zu analysieren. Dafür
spielen neben Strahlung und Temperatur auch die relative
Luftfeuchtigkeit, der Niederschlag und der Wind eine große Rolle.

Mikroklimate können beispielsweise durch die Strahlungsbilanz
beschrieben werden, in der die Einstrahlung mit der Ausstrahlung
verglichen wird. Die kurzwellige Sonnenstrahlung kann entweder direkt
oder als diffuse Himmelsstrahlung auf die Erdoberfläche treffen
(Einstrahlung). Dort wird sie entweder reflektiert (also
zurückgeworfen) oder absorbiert (von der Bodenoberfläche
aufgenommen). Das Verhältnis von absorbierter zu reflektierter
Strahlung wird als Albedo einer Oberfläche (Rückstrahlvermögen)
bezeichnet. Der von der Oberfläche aufgenommen Strahlungsanteil führt
zu einer Erwärmung des Bodens. Weil er deutlich kälter ist als die
Sonne ist, gibt er keine kurzwellige, sondern langwellige
Wärmestrahlung ab. Diese Wärmestrahlung wird als terrestrische
Ausstrahlung bezeichnet. Aus der Differenz von Ein- und Ausstrahlung
ergibt sich, welcher Strahlungsumsatz an der Oberfläche stattgefunden
hat und wie viel Sonnenenergie dabei in Wärme umgewandelt wurde.
Diese wird als Temperatur gemessen.

Bei Agrar- und Waldflächen haben insbesondere die Bewuchshöhe und
-dichte einen entscheidenden Einfluss. Das Ganze ist leichter zu
verstehen, wenn man an einen Waldspaziergang an einem heißen
Sommertag denkt. Dort halten die dichten Baumkronen einen Großteil
der Sonnenstrahlung von der Erdoberfläche fern, sodass sich das
Mikroklima von Kronendach und Boden am Tag stark unterscheidet. Am
Boden bleibt es etwas kühler, sodass man dort gemütlich spazieren
gehen kann. Auch die Temperaturschwankungen im Tagesverlauf sind viel
geringer. Je dichter und höher der Bewuchs ist, desto weniger
Sonnenlicht kommt auf dem Boden an, und desto weniger kann sich
dieser erwärmen.

Neben der Einstrahlung und der Temperatur ist auch der Niederschlag
auf mikroklimatischer Skala interessant. Nehmen wir noch einmal das
Beispiel Wald: Wenn Niederschlag fällt, greifen die Blätter im
Kronenraum einen Großteil des Wassers ab. Sie stellen eine Art
Barriere für den Wassertropfen auf dem Weg bis zum Boden dar. Deshalb
stellt man sich bei Regenschauern auch unter Bäume, da diese als
natürlicher ?Regenschirm? dienen. Ein Teil des Wassers verdunstet
direkt wieder oder wird über die Blätter aufgenommen. Wie stark die
Verdunstung ausfällt, hängt von der relativen Luftfeuchte der
Umgebungsluft ab. Das übrige Wasser fließt am Stamm ab und versickert
im Boden. Da in der Nähe des Stammes die Wasserversorgung also
besonders gut ist, kann man in Wäldern dort oft einen stärkeren
Pflanzenwuchs beobachten.
Im Winter kann sich auch Schnee auf das Mikroklima auswirken. Frisch
gefallener Schnee hat durch seine weiße Farbe eine hohe Albedo, das
bedeutet, das Licht wird zu großen Teilen reflektiert und wieder in
die Atmosphäre zurückgeworfen. Dadurch kommt es nur zu einer geringen
Erwärmung des Bodens. Im Sommer können sich dunkele Oberflächen
dagegen stark erwärmen, zum Beispiel unbestellte Ackerflächen.
Wenn man sich diese Tatsachen durch den Kopf gehen lässt, fällt auf,
dass das Mikroklima wohl doch eine größere Rolle spielt, als man
aufgrund seines Namens vermuten würde!


Praktikantin Johanna Glaß (B. Sc. Geoökologie), Dipl.-Met. Marcus
Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.03.2020

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