Thema des Tages

20-03-2020 09:50

Die optimale Laufgeschwindigkeit bei Regen


Es schüttet aus Eimern und ein Schirm ist nicht in Sicht. Wie bleibt
man trotzdem möglichst trocken? Soll man lieber schnell rennen oder
doch besser langsam gehen?


Am heutigen Freitag ziehen mancherorts dichte, graue Regenwolken
vorüber: Im Norden und der Mitte fallen daraus meist nur ein paar
Tropfen, im Süden hingegen können sich in der zweiten Tageshälfte
kräftige Schauer, teils sogar Gewitter mit Starkregen entwickeln. Der
ein oder andere wird sich dann bei so einem Regenguss unterstellen
und überlegen: "Sollte ich besser schnell durch den Regen rennen oder
lieber langsam gehen, um nicht komplett durchnässt anzukommen?" Und
er oder sie grübelt vielleicht weiter: "Wenn ich schneller gehe, bin
ich dem Regen für kürzere Zeit ausgesetzt, aber dafür werde ich von
vorne stärker nass". Gibt es also vielleicht so etwas wie eine
optimale Laufgeschwindigkeit?

Viele Physiker und Mathematiker haben sich schon mit dieser
alltäglichen Frage beschäftigt - dabei zeigte sich immer wieder: Die
Sache ist gar nicht so trivial! Denn verschiedenste Faktoren haben
Einfluss auf das Ergebnis, angefangen bei der Körperform des Menschen
über die Größe der Regentropfen bis hin zur Windgeschwindigkeit.

Machen wir es uns aber zunächst einfach und gehen davon aus, dass
kein Wind bläst, der Regen also senkrecht nach unten fällt und der
Mensch ein langgestreckter, aufrechtstehender Quader ist - seine
Figur also der eines Backsteines gleicht (ok, das ist schon eher
selten, aber soll's geben?). Dann wird dieser Mensch beim Laufen vor
allem an zwei Stellen nass: an seiner Oberseite und an seiner
Vorderseite.

Betrachten wir zunächst die Oberseite (also quasi Kopf und
Schultern): Da pro Sekunde immer die gleiche Menge Wasser pro
Flächeneinheit vom Himmel fällt, hängt die Regenmenge von oben
lediglich von der Zeit ab, wie lange jemand im Regen unterwegs ist.
Betrachtet man allein die Oberseite, ist es also am besten, so
schnell es geht zu laufen, um möglichst trocken zu bleiben.

Etwas anders sieht es bei der Seitenfläche unseres quaderförmigen
Modellmenschen aus, genauer gesagt für seine Vorderseite in
Laufrichtung. Denn die dort auftreffende Regenmenge hängt nicht von
der Laufgeschwindigkeit ab! Als Erklärungshilfe dient die
geometrische Veranschaulichung der beigefügten Grafik:
Seitlich wird der Mensch von Tropfen getroffen, die sich in einem
Parallelogramm befinden, dessen Fläche allein von der Höhe des
Quaders (also quasi der Körpergröße) und dem zurückgelegten Weg
abhängt.
Die Grafik zeigt: Das dunkelblaue Parallelogramm (und damit die
seitlich auftreffende Regenmenge), verändert bei geringer
Geschwindigkeit zwar seine Form, nicht jedoch seine Fläche. Denn die
Fläche (Seite mal Höhe) bleibt konstant.

Damit ergibt sich: Die Laufgeschwindigkeit hat zwar keinen Einfluss
auf die seitlich treffende Regenmenge, wohl aber auf die, die einen
von oben trifft. Deshalb wäre ein instinktives "renn, so schnell du
kannst" genau das Richtige - zumindest bei diesen vereinfachten
Annahmen.

So viel zur Theorie: Und was bedeutet das nun konkret? Wenn es regnet
und man einen Weg von 100 m vor sich hat, das Verhältnis der eigenen
backsteinartigen Figur bei 0,2 (Höhe durch Breite) liegt, der mäßige
Regen eine Dichte von 2 g/m³ und eine Geschwindigkeit von 5 m/s hat
und man ebenfalls flott mit 5 m/s durch den Regen sprintet, würde die
Wassermenge, die einen trifft bei 120 g liegen (auf die Formel soll
an dieser Stelle verzichtet werden). Schlendert man hingegen im
normalen Fußgängertempo (4 km/h ? 1 m/s) bekäme man mit 190 g schon
deutlich mehr Regen ab.

Es hat sich jedoch gezeigt, dass das Ergebnis ein anderes ist, wenn
man den laufenden Menschen nicht als Quader modelliert. Vielmehr
gleichen wir eher einer Mischung aus Zylinder, Kegel und Kugel - und
da schlagen Regengüsse natürlich ganz anders zu. Auch wenn starker
Rückenwind den Regen peitscht, ist das Ergebnis so nicht mehr gültig:
Dann ist es unter Umständen besser, genauso schnell zu laufen, wie
die Regentropfen in Laufrichtung vom Wind abgelenkt werden. Bei den
Untersuchungen wurden auch festgestellt, dass die Größe der
Regentropfen das Ergebnis beeinflusst, da sie deren
Fallgeschwindigkeit bestimmen.

Der italienische Physiker Franco Bocci, der sich diesen Überlegungen
annahm, resümierte: "Es gibt keine allgemeingültige Lösung". Also mal
wieder eine schwammige Aussage eines Wissenschaftlers, die einen im
Alltag nun auch nicht wirklich weiterbringt? Nicht ganz: Denn in der
Regel wird man oberhalb der optimalen Geschwindigkeit, sofern diese
existiert, nur etwas mehr nass. Schnelles Rennen bleibt also eine
gute Strategie!


Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.03.2020

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst