Thema des Tages

20-04-2020 06:50

"Es riecht nach Regen"

Jeder kennt ihn, den "Duft nach Regen", wenn nach langer Trockenheit
die ersten Regentropfen auf den Boden fallen. Aber wie entsteht
dieser unverkennbare Geruch?

Nach wochenlanger Trockenheit gab es am Wochenende in der
Südwesthälfte Deutschlands gebietsweise ein wenig vom langersehnten
Regen. Vielleicht kamen Sie dabei auch in den Genuss des
erdig-frischen und leicht feuchten Duftes nach Regen? Es reichen nur
wenige Regentropfen und schon hat man diesen "Regengeruch" in der
Nase. Aber was riecht man da eigentlich? Regentropfen bestehen ja aus
Wasser, also H2O, und das ist bekanntlich geruchlos. Im heutigen
Tagesthema gehen wir dieser Frage auf den Grund.

Anscheinend haben sich schon vor vielen Jahrzehnten die Leute genau
diese Frage gestellt. Im Jahre 1964 veröffentlichten nämlich die
beiden australischen Wissenschaftler I.J. Bear und R.G. Thomas im
auch heute noch angesehenen Wissenschaftsmagazin "Nature" einen
Artikel, in dem sie dem unverkennbaren Geruch den Namen "Petrichor"
gaben. Dieser Name leitet sich von den beiden griechischen Wörtern
"petros" (Stein) und "ichor" (die Flüssigkeit in den Adern der
griechischen Götter) ab.

In dieser Studie haben die beiden Forscher einen wesentlichen
Bestandteil des Regengeruchs identifizieren können. Sie fanden
heraus, dass Pflanzen während Trockenphasen ein gelbliches Öl
produzieren und absondern. Dieses ätherische Öl wird von Böden und
Gesteinen (daher der Namensbestandteil "petros") absorbiert, also
auch von Gehwegen und Straßen. Neuere Studien haben ergeben, dass
noch ein weiterer Stoff für den Geruch verantwortlich ist. Die Rede
ist von einem Alkohol namens Geosmin, der von Bakterien im Erdboden
produziert wird. Diese Mikroorganismen fahren bei Hitze und
Trockenheit ihren Stoffwechsel auf das Nötigste herunter. Sobald die
Bakterien mit Wasser in Kontakt kommen, werden sie wieder aktiv und
geben unter anderem das flüchtige und stark riechende Geosmin ab.
Manchmal genügt schon Tau an einem kühlen Frühlingsmorgen, um die
Bakterien zu aktivieren. Zusammen mit dem ätherischen Öl der Pflanzen
und Staub auf Steinen entsteht so das bekannte erdige Aroma des
Petrichor.

Erst im Jahre 2015 fanden Forscher des "Massachusetts Institute of
Technology" mittels Hochgeschwindigkeitskameras einen weiteren
wichtigen Effekt heraus, der den intensiven Geruch des Regens
erklärt. Wenn die Regentropfen auf den staubigen Boden treffen,
bilden sich kleine Luftbläschen, in denen die winzigen
Geruchspartikel eingeschlossen sind. Diese Bläschen platzen
allerdings rasch auf und bereits ein schwacher Luftzug oder
Luftverwirbelungen genügen, um das Aroma in der Luft zu verbreiten.
Der gleiche Effekt verursacht übrigens auch den Geruch von Sekt oder
Erfrischungsgetränken, wenn beim Öffnen der Flaschen die aufsteigende
Kohlensäure an der Oberfläche aufplatzt und entweicht.

Wie intensiv der Petrichor ist, hängt von der Porosität und
Feuchtigkeit des Bodens ab. Besitzt der Boden viele Hohlräume und ist
sehr trocken, ist das förderlich für ein starkes Regenaroma. Beste
Voraussetzung bildet leichter Regen, der auf einen feinporigen und
staubtrockenen Boden fällt, aus dem sich zahlreiche Partikel lösen
können. Deshalb riecht man den Regen meist nach längeren
Trockenperioden, wie wir sie gerade erleben oder im Sommer bei
Gewittern, wenn die Hitze den Erdboden zuvor stark ausgetrocknet hat.
Neben Lehmböden sind Waldböden gute Quellen für einen intensiven
Duft, da sich in diesen Bodenarten genügend Hohlräume befinden, aus
denen die Luftblasen heraussteigen können. Regnet es hingegen sehr
stark, dann wird der Boden schnell durchnässt und eine Wasserschicht
legt sich über den Boden, durch die keine Luftbläschen mehr
emporsteigen können -der Regenduft versiegt.

Manchmal riecht man den Petrichor schon einige Zeit vor Eintreffen
des Regens und bisweilen bleibt der Regen auch aus. Nähert sich
beispielsweise im Sommer eine Gewitterlinie, dann frischt oft schon
einige Zeit im Voraus aus Richtung der aufziehenden Gewitter der Wind
böig auf und die Luft kühlt ab. Man bekommt den kalten Ausfluss der
Gewitterlinie zu spüren, der den Regengeruch mit sich führt und
mitunter auch in Regionen transportiert, die vom Regen gar nichts
abbekommen - man riecht also förmlich den Regen aus der Ferne.

Zum Abschluss noch eine kleine Kuriosität: Da die meisten Leute den
Regenduft als angenehm empfinden, kann man Petrichor sogar als Duftöl
für den Einsatz in Kerzen, Badekugeln oder als Zugabe in
Luftbefeuchtern kaufen und selbst Eau de Parfums imitieren diesen
Duft.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.04.2020

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