Thema des Tages

28-04-2020 05:50

Wenn die Gartenstühle fliegen lernen!


Meldungen von plötzlich umherwirbelndem Dreck und Staub oder gar von
Gartenstühlen und Sonnenschirmen wurden uns in den vergangenen Tagen
häufiger gemeldet. Haben Sie solche sogenannten 'Staubteufel' schon
einmal beobachten können? Der Entstehung solcher Staubteufel werden
wir im heutigen Thema des Tages auf den Grund gehen.


Staubteufel (Englisch: dust devil), zum Teil auch als Heuteufel oder
Sandtrombe tituliert, fallen unter die Kategorie der Kleintromben.
Eine Kleintrombe wird als ein kleinräumiger, eng begrenzter
Luftwirbel bezeichnet, der um seine vertikale Achse durchaus heftig
rotieren kann und deren vertikale Höhenerstreckung nur auf die
untersten, bodennahen Luftschichten der Atmosphäre beschränkt ist. Im
Unterschied zu Großtromben, zu denen Tornados zählen, besteht bei
Kleintromben kein direkter Zusammenhang mit konvektiver Bewölkung.
Während sich Tornados aus der Wolke nach unten entwickeln, bilden
sich Sandtromben von unten her, also vom Erdboden nach oben. Und das
bei oft wolkenlosem Himmel.

Voraussetzung für die Entstehung eines Staubteufels ist meist eine
windschwache Wetterlage mit relativ ungehinderter starker
Sonneneinstrahlung. Mit zunehmender Tageszeit kommt es zu einer
stärkeren Sonneneinstrahlung, die die Luft je nach Art der
Erdoberfläche höchst unterschiedlich aufheizen kann. Eine starke
Überhitzung wird dabei durch die Oberflächengestalt und die Bodenart
begünstigt. Prädestiniert sind etwa Weinberge, felsige Südhänge,
trockene Getreidefelder oder trockene Sandflächen. Aber auch Sport-
und Tennisplätze mit Asche- oder Sandbelag bieten beste Bedingungen,
um sich stark aufzuheizen.

Übersteigt die Erwärmung der Erdoberfläche infolge der
Sonneneinstrahlung die Temperatur der auflagernden Luft, so findet
ein fühlbarer Wärmefluss in die bodennahe Atmosphäre statt, die sich
so lange erwärmt bis ein überadiabatischer Gradient entsteht. Auf
relativ kurze Distanz kühlt sich die Luft vom Erdboden ausgehend mit
der Höhe extrem schnell ab. In dieser Luftschicht nimmt die
Temperatur mit zunehmender Höhe um mehr als 1 Grad pro 100 m ab.
Dadurch wird die Luftschichtung aufgrund von abnehmender Dichte
labilisiert und erfährt eine vertikale Beschleunigung vom Boden weg,
die als Thermik bezeichnet wird. Meist beschränkt sich ein
überadiabtischer Temperaturgradient nur auf einen bodennahen Bereich
von 20 bis 50 Meter, maximal bis einige 100 m über Grund.

Hat sich eine Thermikblase vom Boden abgelöst, kann diese durch
kleine Anstöße beispielsweise durch das Gelände oder durch
Turbulenzen und Windgeschwindigkeitsunterschiede in den untersten
Schichten der Atmosphäre in Rotation versetzt werden. Eine
zusätzliche Streckung der Luftsäule kann die Rotation weiter
konzentrieren. Aufgrund der Drehimpulserhaltung nimmt dabei die
Windgeschwindigkeit durch den Pirouetteneffekt rasch zu. Diesen
Effekt kennt man aus dem Eiskunstlauf, indem die Sportler ihre Arme
eng an den Körper legen, um eine schnelle Rotation um die eigene
Körperachse zu erzielen. Durch die Rotation der Luft werden dann
Staub, Sand, Blätter, Heu oder andere leichte oder lose Gegenstände
(wie unsere eingangs erwähnten Gartenstühle oder Sonnenschirme) in
die Luft gewirbelt. Nur dadurch wird der Wirbel für uns erst
sichtbar.

In aller Regel sind die meisten Kleintromben aufgrund des
Temperaturmaximums in den Mittags- und Nachmittagsstunden im
Sommerhalbjahr anzutreffen. Meist fallen sie schwach aus und richten
nur selten Schäden an. In einem durchschnittlichen Staubteufel werden
Windspitzen um 50 km/h erreicht. Die Drehrichtung eines Staubteufels
ist dabei zufällig und wird aufgrund der geringen horizontalen
Ausdehnung nicht von der Corioliskraft beeinflusst. Etwa die Hälfte
der Sandtromben drehen zyklonal (im Gegenuhrzeigersinn), die andere
Hälfte antizyklonal (im Uhrzeigersinn). Staubteufel haben
typischerweise einen Durchmesser von weniger als 20 Meter und eine
Lebensdauer von wenigen Sekunden oder einigen Minuten. Jedoch wurden
bevorzugt in ariden wüstenhaften Gebieten (beispielsweise im
Südwesten der USA) auch schon größere Exemplare mit horizontalen
Durchmessern von bis zu 100 bis 200 Metern und mehreren hundert
Metern vertikaler Erstreckung beobachtet. In solchen Regionen können
Staubteufel dann auch eine Lebensdauer von 30 Minuten und in
Extremfällen Geschwindigkeiten bis Orkanstärke um 120 km/h oder mehr
erreichen und im besiedeltem Gebiet durchaus veritable Schäden
verursachen.


MSc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.04.2020

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